Ashes for Breakfast (10 page)

Read Ashes for Breakfast Online

Authors: Durs Grünbein

BOOK: Ashes for Breakfast
6.95Mb size Format: txt, pdf, ePub

     Daß ihre Zeit nun vorbei ist.

Was ist sein Stöhnen gegen die Sprengung

     In ihrem Innern, den Schwindel,

Daß der Rhythmus gestört ist, ihr Zögern

     Eh das Ei seinen Ort erreicht,

Die Furcht vor dem Ende, das nun beginnt.

 

 

Sieh, wie oft du zurückzuckst, gespiegelt

     Im Lackglanz von Kühlerhauben,

In metallischen Sonnenbrillen, dir selbst

     Widerfahrend in einer Drehtür,

Die dich hineinzieht. So schnell vervielfacht,

     Warst du immer schon vor dir da

Wie der Igel im Märchen, lästiges Visavis.

     Hämisch auf Fettaugen treibend,

In jeder Suppe zur Stelle, in jedem Bier,

     Gab es nicht viel zu viele von dir?

Stand nicht noch immer in jedem Tröpfchen

     Eins deiner Doubles, im Zweifel

Ob Zeit wirklich sämtliche Züge verwischt.

 

 

Denk von den Wundrändern her, vom Veto

     Der Eingeweide, vom Schweigen

Der Schädelnähte. Das Aufgehn der Monde

     Über den Nagelbetten führt

Andere Himmel herauf, strenger gestirnt.

     Lachhaft die Höhenflüge, getrübt

Aus den engen Knochenhöhlen der Ausblick

     Auf Kloaken und Gräberreihen,

Hautflecken, zyklisch, und Sternbilder, nah.

     Weiter ist hier die Umlaufbahn,

Länger dauert es in den kälteren Nächten

     Bis die Blutung gestillt ist, Hunger

Den Körper versiegelt, das Schwarze Loch.

 

 

Lange her, daß dein Finger ein Halt war,

     Ein Laufsteg hinaus in die Luft,

Für den Sänger von Theben, das Heupferd,

     Die rasenden Maikäferhorden,

Den Hopliten am Feldrand, die Schildlaus.

     Immer färbten die Flügel ab

Der ermüdeten Schmetterlinge, Papyri

     Mit Hieroglyphen beschmiert. Kot

War die Schleifspur der Raupenkolonnen.

     Blattgrüner Hügel, der Daumen

Blutig vom Rumpf der zerdrückten Mücke.

     In den Handrücken brannte

Eine vom Fußvolk, die Ameise, sich ein.

 

 

Solange noch Gras sprießt aus allen Fugen

     Ist nichts verloren. Der Baum

Mißt die Menschenalter in kleinen Ringen.

     Von einer Wohnung für viele

Bleibt im Brandfall nur ein verkohltes Loch

     Oder ein schöner Spielplatz. Leicht

Steigt im Stadtwind aus Abgas ein Drachen,

     Fährt auf den aschenen Pfützen

Ein Schiff aus Papier. Wie dein Herz springt,

     Wenn die schimpfende Amsel

Ihr Stück Rasen verteidigt am Straßenrand,

     Und überall grünt es. Der Schritt

Federt oft über Gräbern, planiert zum Weg.

 

 

Doch der wahre Spuk war das Einmaleins

     Das die Träume in Netze legte,

Tagtäglich, das Schwirren von Bumerangs

     Um die zahllosen Dinge, der Zwang

Zu Gemenge und Handlung, das Rechnen

     Im Schlaf, algebraisch gelähmt.

Seit du, ein Häkchen, stumm überm Heft,

     Ziffern in Kästchen sperrtest

Bist du selbst dieses vielfache Ganze, geteilt

     In sezierbare Glieder, der Kopf

Zwischen Minus und Plus, Haut und Hirn

     So unendlich gefaltet. Die Tage

Gezählt, wird das Leben zum Intervall.

 

 

Fröstelnd unter den Masken des Wissens,

     Von Unerhörtem verstört,

Traumlos am Tag unter zynischen Uhren,

     Fahrplänen, Skalen, beraten

Von fröhlichen Mördern, vorm Monitor, —

     So wird man Sarkast. Fest

Steckt im Zähneknirschen die Reduktion,

     Im Mangel die Schadenfreude,

In Monologen aus Irrsinn das süße Singen

     Des Kinds, von zu Hause entflohn

Aus der Stadt, querfeldein, auf die Dörfer,

     Wo die Füße nachts schmerzten,

Der Augengrund, von Insekten bewohnt.

 

 

Die Nerven blank wie unter Flügeldecken,

     Genügt ein kreischender Baukran

Am Mittag, dich zu erschrecken, ein Pfiff

     Ums Eck, eine zischende Dose.

In diesem jüngsten Himmel-Hölle-Spiel

     Bricht etwas auf, sprengt Risse

Ins alte Hirngewölbe des Jahrhunderts.

     Der Boden dröhnt. Sixtinisch

Hallt es von musealen Stunden, tickend

     Im Zentrum, über leere Plätze.

Derselbe Kalk, der die Schlagadern engt,

     Drängt die Straßen ins Weite,

Scheidet die Geister vor einer Hochhauswand.

 

 

Und immer das Warten auf den Transport

     Zwischen den Orten, wo Ankunft

Ein Portal ist im Regen, ein weißer Flugplatz

     Der sofort Abschied meint: Exit

Durch ein Tageskino, ein helles Nachtcafé,

     Vorbei an den Förderbändern

Mit raunenden Koffern, Taschen, vertauscht.

     Niemand da, der dich auffängt,

Trittst du zeitkrank ins Freie, schwankend

     Vor Raumnot, ein Evakuierter,

Den ein Taxi holt aus der Zone des Bebens

     Ins Hotel, vor die Schalterhallen,

Wo Zugluft ihn abschiebt aufs nächste Gleis.

 

 

Auch der kälteste Raum wird zur Sauna,

     Solange du irrläufst. Wie steil

Führt ins Erdreich die Treppe, wie streng

     Der Geruch ist, die Trennung

In
Damen
und
Herren
 … Die falsche Tür,

     Kaum berührt, lockt ins Abseits,

In verbotne Zonen, vor Wände, markiert

     Mit den Zoten der Gegenseite.

Nichts macht so einsam wie das Geschlecht.

     In Kabinen gesperrt, lauschend

Der stygischen Spülung, den Eingeweiden,

     Allein mit dem Ekel, der Lust,

Klebt an den Fliesen der Körper und träumt.

 

 

Gut zu wissen, daß Schwarz die Dinge hält,

     Daß es die Blicke beschlagnahmt,

Ein letzter Zoll, verläßlich wie nie ein Blau.

     Kein Verröcheln der Farben, kein

Quälender Schmerz, nur ein einfaches Aus,

     Ohne Widerhall. Armes Klavier,

Das die Töne verspiegelt in seiner Politur.

     Jedes Tuch behält mehr für sich.

Der heiße Asphalt zieht die Fußspuren ein

     Der Passanten des Sommers. Nein,

Selten ein Schwarz, das den Tod absorbiert,

     Die Blutlachen aufleckt, das Licht,

Diese letzte Zuflucht der Nerven, begräbt.

 

 

Wußten wir, was den Reigen in Gang hält?

     Daß Lieben einsamer macht,

Schien erwiesen. Jeder behielt ihn für sich,

     Seinen Dorn, bis zur Unzeit

Das Blut die Verbände durchschlug. Selten

     Blieb jemand unverletzt. Eher kroch

Ein Schmerz beim andern unter. Verlassen

     Zu sein war das größte Übel,

Nichts zu fühlen im Frühling, wie amputiert

     Vor defekten Riesenrädern …

Wie uns der Wind in die Baumkronen hob,

     Aus denen wir fallen sollten,

Glücklich, mit einem langen Himmelsschrei.

 

 

Ging das meiste nicht spurlos an dir vorbei

     Ins Schweigen? Kaum aufzuhalten,

Der ferne Wolkenzug, der verregnete Tag,

     Ein Unfall, der tödlich endet.

Und jede Krise fing an mit dir. Du selbst

     Warst der eine zuviel im Stau.

Um dich her den erstaunlichen Schauplatz

     Verdunkeln Affekte. Ein Schock

Hellt ihn auf. In Gesprächen fließt Zeit ab,

     Beim Händewaschen, beim Essen.

Vor den Grausamkeiten schützt das Gebet,

     Das Idol vor der Zugluft —

Ein Gesicht, gealtert, kaum taucht es auf.

 

 

Ahnst du, wie überfüllt dieser Luftraum ist

     Mit Stimmen und Staub, schwirrend

Durch die Tiefen der Zeit. War die Libelle

     Von den Propellern des Weltkriegs

Ein Splitter? Tanzte der Mückenschwarm

     Sein Ballett nicht im Magnetfeld?

In den windkalten Korridoren der Straßen

     Erfaßt dich, noch aus der Ferne,

Der wache Dohlenblick. Aus dem Geraschel

     Des Laubs steigt der alte Disput

Theologischer Thesen. Zitternd verfehlst du

     Den einzelnen Kiesel, den Grashalm,

Die Umarmung der Erde, gefährlich wie nie.

VARIATIONS ON NO THEME

To digress … where to? Even that, remember,

     (“Goof off”) was just the usual formula

For flight, for carrying on elsewhere

     Thoughtlessly or otherwise.

Comes to pretty much the same thing, no?

     Assembling a new excitement

Feature by feature, a face

     In among the clockfaces

In the window, the glasses for love,

     For higher definition TV, drive-through

Funerals and furniture for faster living,

     Angels manning the checkouts, deaf

To their sweet, necrophile, hel
lo.

 

 

Back in front of the telephone, under the cheese cloche,

     The cosh, the Alexander Graham Bell jar,

No sooner was the door shut, you froze, a cynosure,

     A dead ringer for passersby on the sidewalk,

Staring at the dial-pad, digits

     Like the stellar magic forest

In the night sky … decimal mandala

     Tempting you by its availability

Sudden nearness, whispers, betrayal,

     Egad, love, even—all of it seemingly

Hardwired, a sort of “I'll call you” life.

     The numbers no sooner punched

Than a voice explodes in your brain.

 

 

Traveling the dial between mother earth

     And mother ether, the pulse beat

Of the bleeding rabbit in my ear, desensitized

     Like the skin under a leather glove

By the thousands of inner voices—who knows

     Whose the individual voice was,

Untraceable in the genetic choir.

     Grandmother's
Ach
or the
Hhm

Of all the stone guests in the basement …

     Till the walls break out in sweat,

And you hear yourself whisper:

     What a lot of panic

Just for a spot of suction, at night.

 

 

And in the morning, you turn on the shower

     And out comes … water, what did you think?

Red and blue stand for hot and cold.

     The skin wasn't peeled off in strips like wallpaper.

That's just a nightmare, silly.

     There's no thorn in the towel, no blood

On the tiles—the plug hole's gurgle

     Signifies cleanliness, not death.

As to whether they still make soap

     Out of bones, the foam drying

On the lines of your palms takes the fifth.

     Dragged along by the hair, briefly, fear-

Fully animated, a short-lived suspicion dies.

 

 

“Everyone follows his or her own bent”

     Was really no excuse for so much time

On the road, oblivious to the fact

     That that, too, is fugitive. Before long,

You'll be completely done up and done in,

     The years call out to the peregrine.

Because life takes whatever course it will,

     Without inducements. You get out of bed

On the wrong side, lobster red

     With the hormones in your bloodstream,

An anatomical torso in the mirror,

     And you stand there, arms akimbo, eyes

Peeled … to see what?

 

 

No one without some expectation … and they're off

     Into the evening, which rapidly makes it-

Self scarce in the face of so much interest.

     Streets become thoroughfares. An irrational

Feeling that it's all complete without you.

     Like someone, miles adrift, noticing

Too late that everything round about him

     Is unfamiliar, you finally join in

The murmurous throng, the reciprocal

     Assembly line of the noisy majority.

Red lights sizzle in the rain, until

     The high-kicking legs in their canny cancan

Call it a night and go dark.

 

 

Unreal the room you live in by yourself,

     The fly-spotted mirror, dust

In the corners clustering round a long hair

     That's been lying there for weeks.

No bowl of fruit, no vase,

     The only cornucopias, stacked tight,

Are the books. The only surviving elements

     Of the still life are little tropes,

Banal riddles like the blue 13

     Tattooed on your wrist,

Wounds, opened, a birthmark.

     Smiling and almost not at all appalled

You look to alphabetical charms for help.

 

 

As soft and yielding as the backs of your knees,

     The dream of desire that might come to you

Other books

A Place I've Never Been by David Leavitt
The Tawny Gold Man by Amii Lorin
Weekend Wife by Carolyn Zane
Rosshalde by Hermann Hesse
Forever Vampire by Michele Hauf
Landfall by Nevil Shute