Sebastian (36 page)

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Authors: Anne Bishop

Tags: #Fiction, #Fantasy, #General

BOOK: Sebastian
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Etwas ging hier vor. Mehr als sexuelle Begierde. Etwas, das ihr Angst einjagte … und ihr das Gefühl gab, fliegen zu können.
»Du musst mit Philo und Teaser sprechen«, wiederholte sie.
Er lehnte seine Stirn gegen ihre. »Ja.«
»Bevor du gehst, könntest du …«
Er hob den Kopf. Seine Augen waren erfüllt von Begierde, von Hunger. Und von etwas anderem.
»… mir zeigen, was der Kühlapparat ist?«
 
Sebastian zog einen Stuhl unter einem der Tische in Philos Innenraum hervor. Da dieses Zimmer nur bei schlechtem Wetter genutzt wurde, hatten sie den Raum für sich alleine.
Mit einer Flasche Whisky und Gläsern trat Teaser hinter
dem kleinen Tresen an der Rückseite des Raumes hervor. »Philo kommt in einer Minute. Muss nur noch die letzte Bestellung fertig machen.«
Während Teaser den Whisky einschenkte, dachte Sebastian daran, wie Lynnea mit ihm darum gestritten hatte, die Bilder mitzunehmen und heimlich seine Zeichenutensilien getragen hatte. Sein Herz getragen hatte.
Und er hatte es ihr nur noch schwerer gemacht, indem er sich so anstellte.
»Wie entschuldigt man sich bei einer Frau dafür, dass man sich wie ein Idiot verhalten hat?«
»Mit großartigem Sex?«, gab Teaser mit einem selbstgefälligen Grinsen zurück - das sofort einen panischen Zug annahm. »Kein Sex, natürlich. Eine Schachtel Pralinen? Das ist besser. Viel besser. Oder Blumen. Wenn du welche findest.«
Tageslicht, dachte Sebastian, er benimmt sich wie ein Junge, der gerade erkannt hat, dass seine Mutter die gleichen Dinge getan hat, zu denen er seine Liebste überreden will. Was hat Lynnea nur an sich, dass sie dieses Verhalten in ihm weckt?
Philo kam durch die Schwingtür, die zur Küche führte, und ersparte es den beiden Inkuben, weiter über die Frau zu sprechen, die sich gerade in Sebastians Zimmer einrichtete.
»Der letzte Gast ist bedient«, sagte Philo und stellte ein Tablett auf den Tisch, auf dem ein Korb voller Phallischer Köstlichkeiten und eine Schüssel mit geschmolzenem Käse standen. »Nicht, dass heute viele Gäste da waren. Hab nicht viel gekocht, also ist auch nicht viel übrig, aber ich kann euch ein kaltes Rindfleisch-Sandwich machen.«
»Für mich nicht, danke«, antwortete Sebastian, »aber ich nehme etwas für Lynnea mit aufs Zimmer.«
Das Tablett geriet ins Wanken, und Philo hätte beinahe
die Whiskyflasche umgestoßen. »Aber … ich dachte, du bringst sie in die Schule der Landschafferinnen.«
Sebastian stürzte seinen Whisky hinunter. Der Raum war warm und stickig, aber er brauchte dennoch die Hitze des Alkohols. »Die Schule gibt es nicht mehr.«
Aus diesem Grund hatte er alleine mit ihnen sprechen wollen, aber es war schwer, ihnen zu erzählen, was er in der Schule gesehen hatte. Während er die Minuten, in denen Lynnea und er um ihr Leben gelaufen waren, noch einmal durchlebte, lief ihm ein eisiger Schauer den Rücken hinunter, den selbst der Whisky nicht vertreiben konnte.
Philo entfernte sich gerade lang genug vom Tisch, um noch ein Glas zu holen. Nachdem er sich selbst gut eingeschenkt hatte, füllte er Sebastians und Teasers Gläser nach. »Also wird uns der Brückenbauer vom Rest Ephemeras abschneiden.«
Sebastian nickte. »Von allem, außer den Landschaften, die sich in Belladonnas Obhut befinden.«
»Das wird dem Geschäft schaden«, murrte Teaser.
»Das Geschäft ist nicht das Problem.« Philo drehte das Glas in den Händen hin und her. »Was ist mit uns? Den Leuten, die im Pfuhl leben? Woher sollen die Nahrungsmittel kommen? Wir können nichts selbst anbauen, und wenn es in den Landschaften des Tageslichts schlecht läuft, werden die Menschen dort ihren Überschuss vielleicht nicht verkaufen wollen, vor allem nicht an Leute wie uns.«
Hatte Lee dies bei seiner Entscheidung, die Brücken abzureißen, die Gloriannas Landschaften mit dem Rest Ephemeras verbanden, berücksichtigt?
»Was ist mit der Elektrizität?«, fuhr Philo fort. »Ich habe eine Kühltruhe für Fleisch und einen großen Kühlapparat für andere Nahrungsmittel. Ohne Elektrizität können wir nicht einmal Vorräte anlegen.«
»Eins nach dem anderen«, sagte Sebastian. »Erst müssen
wir allen Bescheid sagen, die im Pfuhl ein Geschäft führen - Bordelle, Tavernen, Spielhöllen, Einkaufsläden. Allen. Sollte jemand eine Veränderung in der Landschaft entdecken, vor allem kleine Wasser- oder Sandflächen, sollen sie es melden.«
»Dir?«, fragte Philo.
Sebastian zögerte, dann nickte er. »Ich habe Lee versprochen, dass ich tun werde, was in meiner Macht steht, um den Pfuhl zu beschützen.«
Die beiden anderen Männer bewegten sich unruhig.
»Was noch?«, fragte Teaser.
»Wir müssen die Brücken ausfindig machen, die den Pfuhl mit anderen Landschaften verbinden«, sagte Sebastian. Einen dieser Standorte kannte er, und es beunruhigte ihn. Die Brücke, die Lynnea und er benutzt hatten, um von Nadias Haus in den Pfuhl zu gelangen, hatte aus zwei Steinblöcken zu beiden Seiten eines Waldweges bestanden, der im offenen Land hinter seinem Cottage endete. Wenn, was auch immer bei ihm zu Hause gewesen war, zurückkehrte, wäre es in der Lage, den Pfad bis zu Nadias Haus zurückzuverfolgen? Die Menschen, die in der Schule der Landschafferinnen den Tod gefunden hatten, waren Beweis genug, dass Landschafferinnen angesichts der Kreaturen, die der Weltenfresser in eine Landschaft bringen konnte, genauso verwundbar waren, wie jeder andere. »Und ich will von jedem Fremden erfahren, der den Pfuhl betritt. Vor allem, wenn es sich so anfühlt als ob … etwas nicht stimmt.«
Philo und Teaser tauschten einen Blick aus, aber bevor einer von ihnen etwas sagen konnte, klopfte jemand wild an die Tür.
Als Philo aufstand, um zu öffnen, sagte Teaser: »Ich besorge ein Dämonenrad und fahre durch den Pfuhl, um die Brücken zu finden. Aber ich gehe nicht darüber.«
»Irgendwann müssen wir herausfinden, mit welchen Landschaften sie verbunden sind«, antwortete Sebastian.
»Allein schon, weil Philo Recht hat. Wir werden Nahrungsmittel brauchen.«
Philo kehrte mit Mr Finch im Schlepptau an den Tisch zurück.
»Oh«, sagte Mr Finch und rang die Hände. »Sebastian. Teaser.« Er warf Philo einen Blick zu. »Ihr seid beschäftigt.«
»Was ist los?«, fragte Sebastian und bedauerte die Schärfe in seinen Worten, als Mr Finch zusammenzuckte und aussah, als würde er jeden Moment die Flucht ergreifen.
»Ich habe meinen Laden geschlossen«, sagte Mr Finch und blickte Philo flehend an. »Ich habe gesagt, ich müsse mich mit dir treffen. Ist das in Ordnung?«
»Ist es«, sagte Philo, »aber warum hast du deinen Laden zugemacht?«
Mr Finch schauderte. »Einer von
denen
ist hereingekommen, und ich habe mich so … seltsam gefühlt.«
Sebastian blickte Teaser an.
»Zwei Sukutitten und drei Inkuben sind in den Pfuhl marschiert, nachdem Lynnea und du fort wart. Sie sind … anders.« Teaser atmete tief ein und dann langsam wieder aus. »Weiß nicht, wie ich es beschreiben soll.«
»Sie riechen nach Moschus«, sagte Mr Finch mit zitternder Stimme. »Wie wilde Tiere.«
Sebastian versteifte sich. Nach Moschus. War einer dieser Neuankömmlinge in seinem Cottage gewesen?
»Ja«, sagte Teaser. »Ich hab gesehen, wie einer der Inkuben eine Frau gefangen hat. Ich habe letzten Monat ein wenig Zeit mit ihr verbracht. Sie ist eine hartherzige Schlampe und in keiner Weise selbstlos. Aber selbst von dort, wo ich stand und zusah, wie er sie zu sich herzog, konnte ich sehen, dass er etwas an sich hatte, das ihr Angst machte, aber sie konnte dem Lockruf einfach nicht widerstehen.«
»Was ist passiert?«, fragte Sebastian.
Teaser zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ihn hab ich ein paar Stunden später wieder auf Streifzug gesehen, aber sie konnte ich nicht entdecken.«
»Sie haben nach dir gefragt, Sebastian«, sagte Philo, während er sein Glas füllte und es Mr Finch reichte, der den Whisky hinunterstürzte. »Wann kommt Sebastian zurück? Das wollten sie wissen.«
»Warum das Interesse an mir?«
»Keine Ahnung«, antwortete Teaser. »Ich habe eine von ihnen gesehen, als sie mit den Händen über deine Zimmertür strich und sich die Lippen leckte, wie eine Katze, die einen besonders schmackhaften Vogel in die Enge getrieben hat. Als ich sie fragte, was sie da tut, schien sie belustigt. Sagte etwas davon, dass sie wissen wolle, ob du interessante Träume hättest. Als ich später nach unten gegangen bin, habe ich die Sukkubus-Schlampe dabei beobachtet, wie sie den Empfangsangestellten dazu überreden wollte, ihr den anderen Schlüssel zu deinem Zimmer zu geben. Da hab ich unsere Zweitschlüssel von den Haken genommen und darauf geachtet, dass die Türen immer verschlossen waren.«
Sebastian leerte sein Glas und stellte es beiseite. »Wenn du die Sandwiches machen würdest, Philo, wäre ich dir sehr dankbar.«
Philo nickte und sah dann zu Mr Finch. »Ich mache für ein paar Stunden zu, um mich auszuruhen. Ich habe noch ein freies Zimmer, wenn du lieber nicht alleine bei dir bleiben möchtest.«
»Danke, Philo«, sagte Mr Finch.
Die Zeit kroch dahin, während Sebastian auf Philo wartete. Teaser stürzte sich auf Brot und Käse, aber der Gedanke ans Essen schlang einen Knoten in Sebastians Magen. Er würde erst sorglos genug sein, um etwas zu essen - oder sonst irgendetwas zu tun -, wenn er wieder in seinem Zimmer bei Lynnea war.
Sobald Philo mit einem Korb zurückkehrte, verabschiedete
Sebastian sich und beobachtete auf dem Weg zum Bordell aufmerksam die Straße und die Menschen. Es gab nicht so viele Besucher wie gewöhnlich, und alle bewegten sich mit zielstrebiger Hast, als ob sie die Gefahr zwar spüren, aber ihre Quelle nicht ausmachen könnten.
Als er sein Zimmer erreichte, sah er Lynnea in der offenen Tür stehen - sie sah verwirrt und trotzig aus … und irgendwie verschwommen. Als könne er seinen Fokus nicht auf sie richten, nicht während die hinreißende Frau, die auf der anderen Seite der Tür stand, sich umsah und ihn anlächelte. Aber da lag etwas im Lächeln des Sukkubus, das ihm die Haare zu Berge stehen ließ - und die Begierde in ihm weckte, die Macht der Inkuben zu rufen und sie zu nehmen.
»Sebastian«, schnurrte der Sukkubus.
Voll heißer Versprechungen, erfüllte ihn der Klang ihrer Stimme mit wohliger Wärme.
Sie warf Lynnea einen vernichtenden Blick zu. »Ist das alles, was du kannst?«
Zorn verbrannte die Lust, als die Beleidigung Lynnea zusammenzucken ließ.
»Was willst du?«, fauchte Sebastian.
Das Lächeln der Dämonin wurde schärfer, bekam etwas Mürrisches und Boshaftes. »Ich kann dir lustvolle Träume schenken, die du dir nicht einmal vorstellen kannst.«
Er musterte sie von oben bis unten. »Ich kann mir ganz gut vorstellen, was für Träume deinesgleichen mir bescheren kann.«
Wut blitzte in ihren Augen auf. Dieses Exemplar war es nicht gewohnt, dass man ihr widerstand. Sie bewegte sich, was sie ein wenig näher an Lynnea heranbrachte.
Sebastian hob die Hand und spürte, wie der prickelnde Fluss der Macht ihn durchströmte. Die Magie der Zauberer. Er wollte keinen Blitz heraufbeschwören, nicht,
solange er noch nicht wusste, wie man ihn kontrollierte, nicht, solange Lynnea in der Nähe stand. Aber die Dämonin musste die Macht gespürt haben - oder zumindest verstand sie, dass sie irgendwie bedroht wurde. Sie bleckte die Zähne wie ein Raubtier, das gerade festgestellt hat, dass seine Beute doch nicht so hilflos war wie erwartet. Dann zog sie sich zurück.
Sebastian sah ihr nach, bis ihm die Entfernung weit genug erschien, um in den Raum zu treten und hinter sich abzuschließen. Er lehnte sich gegen die Tür und wartete darauf, dass sein Herzschlag sich wieder verlangsamte.
Lynnea sah verunsichert aus. »Es war unhöflich, sie nicht hereinzulassen, aber -«
»Nein, es war schlau.« Sebastian stellte den Korb ab. »Ich wette, sie ist eine dieser Neuen, die hier aufgetaucht sind.«
Lynnea runzelte die Stirn. »Sie hat … seltsam gerochen. Deswegen habe ich mich bei dem Gedanken, sie hereinzulassen, so unwohl gefühlt. Sie roch …« Ihre Augen weiteten sich. »Wie das Cottage.«
Er nickte. »Wenn sie es nicht war, ist einer der anderen im Cottage gewesen.«
»Warum sollten sie in das Haus eines Fremden eindringen?«
»Das weiß ich nicht.« Er trat zu ihr und legte die Arme um sie. Es ist, wie Sonnenlicht zu halten, dachte er. Sie zu spüren wusch ihn rein von der Lust, die der Sukkubus in ihm erzeugt hatte - und weckte eine andere. Genauso heiß, aber süßer.
»Lauf nicht ohne mich im Pfuhl herum«, sagte er.
»Ich kann doch nicht ständig an deinem Rockzipfel hängen.«
Er lehnte sich weit genug zurück, um sie ansehen zu können. Störrisches Häschen. »Nur bis ich herausfinde, wo diese Fremden hergekommen sind und was sie wollen.
Sie sind nicht wie die anderen Inkuben und Sukkuben, Lynnea. Schau, du musst ja nicht an meinem Rockzipfel hängen, wie du es ausdrückst. Du könntest Philo zur Hand gehen oder … Zeit mit Teaser verbringen.« Ahnte sie auch nur, was es ihm abverlangte, sie einem anderen Inkubus zu überlassen, auch wenn es nur vorübergehend war? »Bitte.«
Sie sah ihn lange an. »In Ordnung«, sagte sie schließlich, hörte aber nicht auf, ihn zu mustern. »Kannst du das auch alles?«
»Was alles?«
»Dein Gesicht verändern. Es war nur ein feiner Unterschied, aber ich war mir sicher, dass ihr Gesicht, als sie mit dir gesprochen hat, nicht mehr so aussah, wie in dem Moment, als ich die Tür geöffnet habe.« Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat mir das Licht einen Streich gespielt.«
»Vielleicht auch nicht.« Wieder von diesem unangenehmen Gefühl erfüllt, trat er zurück. »Es gibt Geschichten - alte Geschichten - über die Inkuben und Sukkuben, darüber, wie sie Männer und Frauen anlocken, indem sie in Gestalt eines Freundes oder Liebhabers erscheinen.« Hand in Hand mit diesen Geschichten gingen auch die über Inkuben und Sukkuben, die ihren Partnern solche intensive Lust bereiten konnten, dass der Sex mit ihnen tödlich war.
»Kennst du mich denn?«, fragte er plötzlich. »Kannst du mich spüren?«
»Wenn du mich fragst, ob ich den Unterschied zwischen dir und jemandem, der dein Gesicht trägt, erkennen kann, dann ja, ich kenne dich. Ich würde dich immer erkennen, Sebastian. Selbst wenn das Gesicht das gleiche wäre, könnte die andere Person niemals
du
sein.«

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