Read Zodiac Online

Authors: Robert Graysmith

Tags: #True Crime, #Murder, #Serial Killers

Zodiac (12 page)

BOOK: Zodiac
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Im nächsten Augenblick sagte der Mann mit einer Stimme, die nun seltsam rau klang: »Ich muss euch jetzt mit dem Messer töten.«

Die beiden jungen Leute waren schockiert.

Als er das Messer aus der Scheide zog, dämmerte mir zum ersten Mal, dass es ernst würde. Jetzt wurde mir schlagartig klar, dass es wohl nicht damit getan war, dass wir vielleicht die ganze Nacht gefesselt am See verbringen mussten.«

»Bitte mich zuerst«, sagte Bryan. »Ich bin ein Feigling. Ich könnte es nicht ertragen, zuzusehen, wie Sie ihr etwas tun.«

»Mach ich gern«, antwortete die vermummte Gestalt.

Er ging auf die Knie nieder, holte mit dem langen Messer aus und begann auf Bryans Rücken einzustechen. Das Blut schoss empor und spritzte Cecelia ins Gesicht, von wo es in kleinen Bächen herunterlief.

»Ich lag also auf dem Bauch«, erzählte mir Bryan später. »Stellen Sie sich mal vor, Sie wären an meiner Stelle und jemand sticht Ihnen mit dem Messer in den Rücken. Was tun Sie? Nun, Sie rühren sich nicht mehr … ich habe einfach gewartet, dass es aufhört. Und Cecelia hat alles mit angesehen und geschrien, er soll aufhören. Sie hat sich auf die Seite gedreht und alles genau gesehen. Sie hat also genau gewusst, was auf sie zukam.«

Als Bryan schließlich vor Schmerz aufstöhnte und es vor seinen Augen dunkel zu werden begann, ließ der Mann von ihm ab und wandte sich dem Mädchen zu. Er atmete nun schwer und saugte den Stoff der Kapuze bei jedem Atemzug ein.

Er kniete immer noch, als er plötzlich einen grässlichen Laut ausstieß und danach lang ausatmete, ehe er begann auf das Mädchen einzustechen. Zehnmal ging das Messer auf sie nieder. Cecelia drehte sich instinktiv auf den Rücken, und der dunkle Jäger stieß wieder und wieder zu. Einmal rammte er ihr das Messer mit der vollen Länge in den Brustkorb, einmal in jede Brust, einmal zwischen die Beine und einmal in den Unterleib.

»Nicht, nicht nicht …«, flehte das Mädchen. Je mehr sie sich drehte und wand, umso wilder stach der Vermummte zu.

»Ich habe später gehört«, berichtete Bryan, »dass er mit den Stichen in ihre Seite dieses Zodiac-Kreissymbol darstellen wollte, aber … ich glaube, sie hat sich zu sehr gewehrt, als dass er das hätte tun können. Er hat sie vorne, hinten und an den Seiten erwischt - aber nur, weil sie sich so gewunden hat. Wenn ich mich recht erinnere, wollte er sie festhalten, aber sie …

Irgendwann drehte ich mich weg. Ich sah hin, aber dann kam es mir in den Sinn: Hey, seh ich mir das auch noch an? Das halt ich nicht aus. Und dann drehte ich mich weg.

Und ich dachte, sei schlau und rühr dich nicht. Ich konnte ihr sowieso nicht helfen, und ich wusste, wenn ich nur einen Ton von mir gebe, bin ich tot … Also, habe ich mich nicht gerührt.«

Der stämmige Mann hatte schließlich seinen Blutdurst gestillt und ließ von ihr ab. Er warf das Geld und den Autoschlüssel auf die Decke, ging langsam über die Halbinsel und verschwand in der Dunkelheit.

 
 

Als der stämmige Mann die Straße erreicht hatte, legte er die Kapuze und das blutige Messer auf den Beifahrersitz seines Wagens, ging zu Bryans Karmann Ghia hinüber und kniete sich zur Tür auf der Beifahrerseite, die von der Straße abgewandt war. Er machte irgendetwas an der Tür, ehe er wieder zu seinem Wagen zurückkehrte und losfuhr. Er hatte einen Anruf zu erledigen.

 
 

»Ich glaube nicht, dass ich das Bewusstsein verloren habe«, erzählte mir Bryan, »und wenn, dann nur ganz kurz. Jedenfalls habe ich noch mitbekommen, dass er ohne jede Eile wegging. Ich hörte praktisch auf, zu atmen, und lag wie erstarrt da. Es mag sein, dass ich kurz weggetreten war, aber ich kämpfte die ganze Zeit dagegen an, das Bewusstsein zu verlieren.

Wenn man sich ansieht, was mir widerfahren ist, dann muss man sagen, dass ich ganz einfach großes Glück gehabt habe. Er hat meinen Herzbeutel gestreift, aber nicht durchstoßen. Ein paar Millimeter weiter rechts - und es wäre aus gewesen.

Cecelias Aorta wurde an mehreren Stellen durchtrennt, meine nicht. Mir ist fast nichts passiert - gut, ich habe auch ein paar Verletzungen davongetragen, aber keine bleibenden Schäden.«

Cecelia kam wieder zu Bewusstsein und die beiden jungen Leute riefen um Hilfe. Bryan wollte in erster Linie »ganz einfach am Leben bleiben« und der nächste Schritt war, sich zu befreien, um Hilfe holen zu können. Unter Schmerzen drehte er sich so, dass er mit den Zähnen an Cecelias Fesseln herankam. Die Wäscheleine an ihren Handgelenken war voller Blut, das ihm in den Mund lief, während er mühsam versuchte, die Leine durchzubeißen. Schließlich gelang es ihm, sie zu befreien, und sie drehte sich herum, um seine Fesseln zu lösen.

»Das Problem war,« berichtete Bryan,« »dass er mich extrem fest gefesselt hatte. Es wundert mich heute noch, dass sie es geschafft hat, mich loszubinden, wenn man bedenkt, wie schwer verletzt sie war. Nun, als sie die mehrfachen Knoten geöffnet hatte, brauchte ich eine Weile, bis ich wieder etwas Gefühl in meinen Händen hatte. Sie waren so fest zusammengebunden, dass kaum noch Blut hineingeströmt ist.«

Bryan wollte auf allen vieren loskriechen, um Hilfe zu holen, doch er hatte so viel Blut verloren, dass er sich kaum bewegen konnte.

Ein chinesischer Fischer aus San Francisco und sein Sohn, die gerade mit ihrem kleinen Boot auf dem See unterwegs waren, hatten ein Stöhnen gehört, das von der Halbinsel kam, und ruderten näher heran, um nachzusehen, was los war. Als sie das viele Blut sahen, entfernten sie sich sofort wieder, um Hilfe zu holen. Drei Kilometer weiter, in der Camping-Anlage »Rancho Monticello Resort«, berichtete der Fischer den Rangers, was er gesehen hatte. Ranger Dennis Land und Ranger Sergeant William White waren gerade fünf Kilometer entfernt mit ihrem Wagen unterwegs, als sie die Meldung über Funk bekamen. »Ich ließ Bill White in Rancho Monticello aussteigen«, erzählte mir Land später, »und er fuhr mit dem Boot zum Tatort, während ich mit dem Wagen hinfuhr. Ich wusste überhaupt nicht, nach was ich Ausschau halten sollte. Alles, was ich gehört hatte, war, dass sich jemand verletzt hatte und stark blutete …«

Als Bryan den Chinesen und seinen Sohn mit dem Boot wegrudern sah, glaubte er nicht mehr, dass noch jemand kommen würde. Und so versuchte er, auf allen vieren bis zur Straße zu kommen. »Ich schaffte es nur bis zur Schotterstraße, als ich auf einmal ein Auto kommen sah.«

»Ich habe den Jungen gefunden«, berichtete Land. »Er hatte sich auf allen vieren ungefähr 300 Meter von der Stelle entfernt, an der das Verbrechen passiert war. Er wollte zur Straße. Ich konnte niemand Verdächtigen sehen. Er lag da an der Schotterstraße … und ich stieg aus und sah kurz nach ihm. Er sagte mir, seine Freundin wäre noch draußen auf der Halbinsel. Ich sprang schnell in den Wagen und fuhr zu ihr hinunter.«

Zwei Boote mit Ranger White und den Besitzern von Rancho Monticello trafen ein, und die Ranger hüllten Bryan und Cecelia in Decken, während sie auf den Krankenwagen warteten, der den weiten Weg vom Queen-ofthe-Valley-Krankenhaus kommen musste, das fast eine Stunde entfernt war. Während die beiden schwer Verletzten den Rangern berichteten, was geschehen war, verloren sie immer wieder für kurze Zeit das Bewusstsein.

»Oh, Mein Gott, ich will nicht sterben«, hatte Bryan immer wieder gedacht, als er zur Straße hinaufgekrochen war. Er war sicher, dass der vermummte Mann sie für tot gehalten hatte, als er weggegangen war. »Ich glaube, ich hatte ganz einfach Angst vor dem Sterben. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich allzu große Schmerzen gehabt hätte; durch den Schock spürte ich relativ wenig«, berichtete er. »Aber sie hatte Schmerzen, entsetzliche Schmerzen.«

»Sie haben schrecklich gelitten«, teilte White später Dave Smith von der
L. A. Times
mit. »Das Mädchen hat mich immer wieder angefleht, dass ich ihr irgendetwas gegen die Schmerzen geben soll, oder etwas, das sie ohnmächtig werden lässt. Sie lag am Boden und wand sich vor Schmerzen und ich konnte kaum noch ihren Puls fühlen. Ich überlegte verzweifelt, was ich tun sollte. Sie haben nicht mehr geblutet, aber sie hatten so viele Stichwunden.«

Der Mann hatte vierundzwanzig Mal auf Cecelia eingestochen.

»Da fiel mir etwas ein, das ich irgendwann mal gehört hatte«, fuhr White fort. »Wenn man sich irgendwo kratzt, wo man keine Schmerzen hat, soll das angeblich helfen, sich von den Schmerzen abzulenken. Das sagte ich dem Mädchen. Sie versuchte es, und sagte mir, dass es für ein paar Minuten helfen würde - aber dann bat sie mich gleich wieder, ihr irgendetwas gegen die Schmerzen zu geben.«

Als die beiden Opfer schließlich ins Krankenhaus gefahren wurden, war ihr Zustand kritisch. Das Mädchen wurde fast die ganze Nacht hindurch operiert.

»Cecelia hatte die ganze Fahrt über solche Schmerzen«, erzählte mir Bryan, »bis sie irgendwann so weggetreten war, dass sie es nicht mehr mitbekam. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn niemand gekommen wäre … Also, Cecelia wäre mit Sicherheit noch am Tatort gestorben, und ich vielleicht auch - am Blutverlust. Auch wenn keine lebenswichtigen Organe verletzt sind, stirbt man irgendwann, wenn man zu viel Blut verloren hat.«

Die Meldung des Verbrechens am Lake Berryessa lief um 19.13 Uhr im Sheriff’s Office von Napa ein. Officer Dave Collins und Deputy Ray Land, der Bruder von Ranger Dennis Land, wurden zum Tatort geschickt.

Um 19.40 Uhr, eine Stunde und zehn Minuten nach dem Verbrechen, klingelte im Polizeirevier von Napa das Telefon.

»Napa Police Department, Officer Slaight.«

»Ich möchte einen Mord melden - nein, einen Doppelmord«, sagte der Anrufer. Slaight schätzte den Mann der Stimme nach auf Anfang zwanzig. Es war eine auffallend ruhige Stimme.

»Sie liegen drei Kilometer nördlich von Park Headquarters. Sie waren mit einem weißen VW Karmann Ghia unterwegs.«

»Von wo rufen Sie an?«, fragte Slaight nach kurzem Zögern.

»Ich bin der, der es getan hat«, sagte der Mann mit kaum hörbarer Stimme.

Der Officer hörte, wie der Hörer niedergelegt wurde, ohne dass die Verbindung unterbrochen wurde. »Sind Sie noch da?«, fragte Slaight. »Sind Sie noch da?« Dass die Verbindung noch aufrecht war, erkannte er daran, dass er im Hintergrund Autos vorbeifahren hörte. »Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass Leute in der Nähe waren«, berichtete er später. »Ich glaube, ich habe Frauenstimmen im Hintergrund gehört, aber ich konnte mich nicht so darauf konzentrieren, weil ich auf einer anderen Leitung im Sheriff’s Office von Napa anrufen musste. Ich meldete den Anruf und fragte dann in der Zentrale, ob der Anruf zurückverfolgt werden könne.«

Tatsächlich fand die Polizei schnell heraus, dass der Anruf von einer Telefonzelle in der Main Street gekommen war, die bei der Autowaschanlage in Napa stand. Die Zelle war nur viereinhalb Blocks vom Polizeirevier entfernt, und genau 43 Kilometer vom Tatort. Die Polizei konnte einen guten Handabdruck am Hörer sicherstellen. Der Abdruck musste mit künstlichem Licht getrocknet werden, bevor man ihn mit Pulver bestäuben und sichern konnte. Ein Abdruck muss trocken sein, da das Pulver sonst an allen feuchten Stellen haften bleibt, anstatt nur am abgesonderten Fett, wie man es für einen aussagekräftigen Abdruck benötigt.

Dass der Mörder die beiden jungen Leute für tot hielt, ließ vermuten, dass er den See unverzüglich verlassen hatte.

Angesichts der vielen Einbahnstraßen in Napa und des Standortes der Telefonzelle kam ich zu dem Schluss, dass Zodiac sich in Napa genauso gut auskennen musste wie in Vallejo. Er war wohl auf der First Street bis zum Polizeirevier gefahren, in die Main Street eingebogen und hatte dann von der Telefonzelle aus auf dem Revier angerufen. Danach musste der Mörder auf der Soscol Avenue zum Highway 29 gefahren sein, und nachdem er nicht in Richtung See zurückfahren konnte, musste er südwärts nach Vallejo gefahren sein. Ob er vielleicht sogar in Vallejo wohnte?

Der Mörder genoss es offenbar, seine Anrufe in der Nähe der Polizei zu machen - schließlich hätte er ja auch irgendwo auf der Rückfahrt vom See anrufen können. Und wie zuvor hatte er in einer Gegend zugeschlagen, wo die polizeiliche Zuständigkeit nicht ganz eindeutig war.

 
 

Der zähe bullige Detective Sergeant Kenneth Narlow vom Sheriff’s Office von Napa County übernahm die Ermittlungen und gab sofort die Anweisung aus, in der Gegend des Sees nach eventuellen Zeugen zu suchen, die vielleicht einen Verdächtigen gesehen haben könnten. »Als ich den Anruf aus dem Büro bekam«, erzählte mir Narlow, »da fuhr ich sofort ins Krankenhaus, um mit den Opfern zu sprechen. Es hätte ja keinen Sinn gehabt, gleich zum See zu fahren. Aber als ich kam, war Cecelia Shepard bewusstlos.«

Als Narlow schließlich zum Tatort kam, verdüsterte sich sein breites, braun gebranntes Gesicht vor Zorn. Irgendjemand hatte die bunte Wolldecke und die Wäscheleine weggenommen, bevor er sie als Beweismittel sicherstellen konnte.

Als Nächstes sah sich Narlow den weißen VW an, und seine Nackenhaare stellten sich auf, als er die Beifahrertür sah. Der Mörder hatte mit schwarzem Filzstift an die Tür geschrieben:

 

Vallejo
12-20-68
7-4-69
Sept 27-69-6:30
per Messer

 

Die Zahlen waren Narlow durchaus geläufig. Es waren Datumsangaben der Morde in den Bezirken Vallejo und Solano.

Da war ein Wahnsinniger unterwegs, der die ganze Gegend unsicher machte und der nun auch weiter im Norden zuschlug.

 
 

Die Kriminaltechniker entdeckten Reifenspuren vom Auto des Täters und fertigten Gipsabdrücke davon an. Die beiden Vorderreifen hatten unterschiedliche Größen gehabt und waren schon sehr abgefahren.

Eine eingehende Untersuchung von Deputy Collins förderte einen merkwürdigen Fußabdruck zutage, der zu Bryans Wagen führte - an die Stelle, wo etwas an die Tür geschrieben worden war. Die gleichen Abdrücke führten auch zum Tatort und wieder zurück zur Straße. Auch von den Fußspuren des Mörders wurden Gipsabdrücke angefertigt. Die Spuren waren auffallend tief. Narlow ließ einen seiner schwereren Kollegen neben den Abdrücken hergehen. Der Mann wog 95 Kilo, sank aber nicht so tief ein wie der Zodiac-Killer. »Ja, wir haben die Sache getestet, um herauszufinden, wie schwer man sein muss, um einen solchen Fußabdruck zu hinterlassen«, erzählte mir Narlow, »und das Ergebnis war, dass der Mörder knapp hundert Kilo wiegen musste.« Sie hatten es also mit einem korpulenten Mann zu tun; die deutlichen Fersenabdrücke ließen darauf schließen, dass der Mann nicht gerannt war, als er den Tatort verließ.

BOOK: Zodiac
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