Read Zodiac Online

Authors: Robert Graysmith

Tags: #True Crime, #Murder, #Serial Killers

Zodiac (16 page)

BOOK: Zodiac
5.84Mb size Format: txt, pdf, ePub
ads

Das Kleinhirn wird durch die Injektion von Formaldehyd fixiert, und der Pathologe öffnet den Schädel mit einer elektrischen Kreissäge, wobei er sorgfältig darauf achtet, dass das Gehirn nicht verletzt wird. Die Schädeldecke wird aufgeklappt und ihre Innenseite begutachtet. Danach wird das Gehirn herausgenommen, gewogen und in verschiedene Abschnitte unterteilt, um eventuell vorhandene Anomalien feststellen zu können.

Danach ist es Aufgabe des Assistenten, die Eingeweide und Organe wieder in den Körper einzufügen und auch das entnommene Stück des Brustkorbs wieder an seinen Platz zu setzen. Er vernäht den Y-förmigen Schnitt und geht dabei vom Schambein zur Brust hin vor. Anschlie ßend wird die Leiche mit einem Schwamm gewaschen, mit einer schwarzen Gummidecke verhüllt und in den Kühlraum zurückgebracht.

Wann immer es eine Kugel zu entfernen gilt, muss mit größter Vorsicht vorgegangen werden, weil sich anhand der Abdrücke des Laufs auf der Kugel die verwendete Waffe identifizieren lässt. In den meisten Fällen ritzt der Gerichtsmediziner sein Zeichen an der Spitze der Kugel ein.

In Stines Fall wurde eine zersplitterte Bleikugel entfernt. Die vier Metallteile wurden in einen durchsichtigen Umschlag gesteckt, der versiegelt, vom Rechtsmediziner signiert und mit einer Angabe versehen wurde, wo die Kugel gefunden worden war.

 
 

Diagnose: Schusswunde am Kopf.

Todesursache: Gehirnverletzung durch Pistolenkugel.

 
 

Stines Taxi wurde in einen gut gesicherten Raum gesperrt, wo es in den nächsten beiden Tagen von Labortechnikern unter die Lupe genommen würde. Das Blut, das im Wagen gefunden wurde, war ausschließlich von Stines Blutgruppe, nämlich null Rhesus negativ.

Stine wäre in drei Monaten dreißig Jahre alt geworden. Er hatte das San Francisco State College besucht und war nachts Taxi gefahren, um sein Studium zu finanzieren. Im Januar hatte er seine Doktorarbeit in Englisch fertig stellen wollen. Er hatte in der Highschool-Zeitung mitgearbeitet und war später für das Turlock Journal tätig gewesen. Der kräftige, achtzig Kilo schwere und einen Meter achtzig große Mann hatte mit seiner Frau in einer Wohnung in einem alten viktorianischen Haus in der Nähe des Golden Gate Park gelebt. Das junge Ehepaar war noch kinderlos gewesen.

Knapp fünf Wochen zuvor war Stine bereits von zwei Bewaffneten aufgehalten worden. Zwölf Tage vor seiner Ermordung war ein anderer Yellow-Cab-Fahrer überfallen worden. Ob es sich dabei vielleicht um eine Generalprobe für den späteren Mord gehandelt hatte?

 

Montag, 13. Oktober 1969

 

Um neun Uhr wurden Stines Fingerabdrücke an die Mordkommission geschickt, wo man sie mit den Abdrücken verglich, die im Taxi gefunden wurden. Die blutigen Abdrücke stammten nicht von Stine.

Fingerabdrücke werden generell in folgende Typen unterteilt: »Arch« - ein Fingerabdruck, der vor allem Bogenlinien enthält; »Tented Arch« - mit Linien, die an ein Zeltdach erinnern; »Loop« - mit Schleife; sowie »Whorl« - mit Windung, Ellipse oder Spirale. Als »Grat« bezeichnet man die erhöhten Linien des Abdrucks, die ein ganz bestimmtes Muster bilden. »Minutien« nennt man die charakteristischen Punkte eines Fingerabdruck-Bildes, wie Verzweigungs- und Endpunkte von Linien. Diese Minutien werden aus den Fingerabdrücken abgelesen und ihre Anzahl, Art und Position verglichen. Bei Teilabdrücken kommt es darauf an, möglichst viele dieser charakteristischen Punkte zu finden, um eine eventuelle Übereinstimmung feststellen zu können. Sind weniger als zwölf übereinstimmende Punkte vorhanden, so muss die Meinung eines Experten eingeholt werden.

Toschi und Armstrong suchten die Adressen auf, an denen die Fahrgäste des betreffenden Tages abgesetzt wurden, und konnten etwa ein Drittel der Personen ausfindig machen, die am Samstag mit diesem Taxi gefahren waren. Im Laufe des Tages wurden diese Personen von einem Mitarbeiter des kriminaltechnischen Labors besucht, um ihre Fingerabdrücke mit den im Taxi vorgefundenen zu vergleichen. Auf diese Weise konnte sichergestellt werden, dass die Betreffenden nicht als Täter infrage kamen.

Im Labor war der Experte Bob Dagitz unterdessen damit beschäftigt, die gefundenen Abdrücke zu analysieren. Als sich der Mörder vorgebeugt hatte, um das Armaturenbrett abzuwischen, hatte er sich auf die Strebe zwischen dem vorderen und hinteren Fenster aufgestützt und dabei Abdrücke der rechten Hand hinterlassen.

»Mittelfinger und Ringfinger der rechten Hand«, schrieb Dagitz nieder. »8 Punkte auf 2 Fingern. Blutig.«

 

6

 

Zodiac

 

Dienstag, 14. Oktober 1969

 

Die Redakteurin Carol Fisher war beim
Chronicle
für Leserbriefe zuständig. Sie teilte sich mit den beiden Leitartiklern ein kleines Büro im zweiten Stock. Während die beiden Leitartikelschreiber, der Herausgeber und ich um halb elf Uhr gerade in der Redaktionskonferenz sa ßen, arbeitete sie sich durch die vielen Briefe, die täglich von Lesern der Zeitung hereinkamen. Auf einem der Briefe war die Adresse mit blauem Filzstift wie folgt angegeben:

 

S. F.
Chronicle
San Fran
Calif.
Please Rush to Editor
Please Rush to Editor
(Bitte rasch an den Chefredakteur weiterleiten)

 

Der Poststempel zeigte, dass der Brief am Tag zuvor in San Francisco aufgegeben worden war. Statt eines Absenders fand sich nur ein Symbol auf dem Umschlag.

Ein Kreis mit einem Kreuz.

Vorsichtig öffnete Carol den Umschlag und zog einen gefalteten Brief heraus. Als sie ihn auseinander faltete, fiel ein ungefähr sieben mal zwölf Zentimeter großes Stück Stoff, das sauber irgendwo herausgetrennt worden war, auf ihren Schreibtisch. Der grau-weiße Stoff war offensichtlich mit Blut befleckt.

Zodiac hatte seinen fünften Brief geschrieben.

Rasch überflog sie die dicht aneinander gefügten Zeilen:

 

Hier spricht der Zodiac
Ich habe gestern Nacht den
Taxifahrer an der Ecke
Washington St & Maple St
getötet. Als Beweis lege ich
ein blutbeflecktes Stück seines
Hemdes bei. Ich bin der
der auch die Leute in der
North Bay Area umgebracht hat.
Die Polizei von S. F. hätte mich
gestern erwischen können, wenn
sie den Park ordentlich durchkämmt hätten
anstatt ein Motorradrennen zu
veranstalten, bei dem es offenbar darum ging,
wer mit seiner Maschine den meisten Lärm
machen kann. Die Polizisten hätten einfach
in ihren Wagen sitzen bleiben und darauf
warten sollen, dass ich aus der Deckung
hervorkomme.

 

Der Brief schloss mit einer wirklich schaurigen Drohung. Es ist dies übrigens das erste Mal, dass auch dieser Teil des Briefes veröffentlicht wird.

 

Schulkinder wären übrigens auch ganz nette
Ziele, ich glaube, ich werde demnächst einmal
einen ganzen Schulbus auslöschen. Ich
schieße einfach auf einen Vorderreifen und nehme
dann die Kleinen einen nach dem anderen aufs Korn,
wenn sie aus dem Bus gelaufen kommen.

 

Carol verständigte uns sofort und lief mit dem Brief, den sie mit zwei Fingern festhielt, zur Stadtredaktion. »Ich habe das hier gerade in meiner Post gefunden.« Der zuständige Redakteur rief sofort in der Mordkommission von San Francisco an.

Der Brief wurde zunächst kopiert und fotografiert. Wir alle drängten uns um das Schriftstück, um es zu lesen, während unser Reporter Peter Stack, der Vertreter von Bob Popp, der normalerweise unser Mann in der Hall of Justice war, den Brief und den blutbefleckten Stofffetzen in das Büro von Toschi und Armstrong brachte. »Ich weiß nicht, ob das hier ernst zu nehmen ist«, sagte Stack. »Wir haben jedenfalls diesen Brief bekommen, und mein Chef hat gemeint, dass ich ihn gleich zu euch bringen soll, damit ihr ihn euch ansehen könnt.«

Toschi blickte von seinem Schreibtisch auf.

»Da ist auch ein Stück Stoff, vielleicht von einem Hemd, und offenbar mit Blutflecken drauf.« Er legte den Stofffetzen vor Toschi und Armstrong auf den Schreibtisch.

Toschi betrachtete das Stück Stoff und erinnerte sich sofort. »Mein Gott«, murmelte er. »Das sieht genauso aus wie Stines Hemd! Bill, ich glaube, das ist von seinem Hemd!«

Armstrong wandte sich an unseren Reporter:. »Wir bringen den Stoff gleich hinunter in das Büro des Gerichtsmediziners, wo Stines Kleider aufbewahrt werden.«

Die Detectives wollten genau wissen, wie viele Leute den Brief berührt hatten, und baten Stack, sich danach zu erkundigen. Bevor Toschi und Armstrong das Büro des Gerichtsmediziners aufsuchten, ließen sie noch rasch Oberinspektor Marty Lee ausrichten, dass sie ihn so schnell wie möglich sprechen mussten. »Wir haben hier etwas Wichtiges«, fügte Toschi hinzu.

Als sie schließlich in Lees Büro gerufen wurden, zog Armstrong den Brief aus der Klarsichthülle und legte ihn vorsichtig auf den Schreibtisch des Oberinspektors.

»Ich glaube, wir haben es hier mit keinem alltäglichen Fall zu tun«, stellte Toschi fest. »Das sieht mir nach einem Serienmörder aus - und San Francisco ist auch betroffen. Stack vom
Chronicle
hat den Brief gerade gebracht.«

»Haben sie ihn schon abgedruckt?«, wollte Lee wissen.

»Nein«, antwortete Armstrong.

»Ich werde sofort den Chef verständigen«, sagte Lee und griff zum Telefon.

Armstrong und Toschi brachten den Brief ins Fotolabor, um ihn fotografieren zu lassen, ehe er ins kriminaltechnische Labor kam. Papier ist eine denkbar ungünstige Oberfläche für Fingerabdrücke. Es ist ohnehin schon schwierig, Abdrücke auf Papier zu finden, aber hinzu kommt noch, dass Verbrecher meist Handschuhe verwenden oder ihre Fingerspitzen mit Flugzeugkleber, Nagellack oder Kollodium präparieren, wobei Letzteres eine zähflüssige Lösung ist, die sowohl als Wundverschlussmittel wie auch in der Fotoindustrie eingesetzt wird.

Dagitz, der Experte für Fingerabdrücke, sprühte den Brief mit einer hochgiftigen Lösung namens Ninhydrin ein, einer Substanz, die die Schrift verzerrt und das Papier violett verfärbt. Die Chemikalie reagiert mit dem Schweiß und den Aminosäuren, die auf dem Papier hinterlassen wurden. Der Brief wurde auf beiden Seiten besprüht und anschließend in die Dunkelkammer nebenan gebracht. Der gesamte Entwicklungsprozess würde drei bis vier Stunden dauern.

Toschi und Armstrong besuchten unterdessen Gerichtsmediziner Dr. Henry Turkel, der sofort Stines Kleider holen ließ. Danach gingen sie zu Lee zurück, um ihm mitzuteilen, dass das Stück Stoff, das mit dem Brief gekommen war, tatsächlich von Stines Hemd stammte. Sie hatten es damit wohl definitiv mit einer Mordserie zu tun, von der auch San Francisco betroffen war.

Der nächste Schritt bestand darin, die Schrift in dem Brief mit der der vier anderen Zodiac-Briefe zu vergleichen.

Captain Townsend aus Napa erklärte sich sofort zu einem Gespräch mit Toschi und Armstrong in seinem Büro bereit. Sie verständigten außerdem das Sheriff-Büro von Solano County, da sie von nun an wohl alle zusammenarbeiten würden. Armstrong und Toschi waren bestürzt angesichts der Tatsache, dass sie es offensichtlich mit einem wahnsinnigen Serienkiller zu tun hatten, dem bislang fünf Menschen zum Opfer gefallen waren, während zwei schwer verletzt davongekommen waren.

Am Nachmittag rief Toschi Paul Avery an, den Reporter des
Chronicle
, der den Zodiac-Fall bisher bearbeitet hatte. »Da der Stofffetzen vom Hemd des Taxifahrers stammt«, stellte Toschi fest, »stecken wir nun wohl tief drin in diesem Zodiac-Fall.«

Am Abend fuhren Armstrong und Toschi nach Napa, um mit Townsend und Detective Sergeant Narlow zu sprechen. Dieser kam zu dem Schluss, dass die Schrift in dem Brief an den
Chronicle
der Schrift der vier anderen Briefe entsprach.

 

Mittwoch, 15. Oktober 1969

 

Toschi und Armstrong fuhren nach Sacramento, um das Original des Briefes dem Leiter des Büros für Questioned Documents, Sherwood Morrill, vorzulegen, einem absoluten Experten was die Analyse von strittigen Schriftstücken angeht. Selbst nach einer chemischen Behandlung ist das Original immer noch aufschlussreicher als eine Kopie. Morrill kam zu dem Schluss, dass der Brief in jeder Hinsicht zu den vorhergehenden Botschaften des Killers passte.

Zodiac arbeitete mit einer eigentümlichen Mischung aus Kursiv- und Druckbuchstaben. Besonders auffällig waren das winzige »r«, das mehr wie ein Häkchen aussah, und das kursive »d«, das extrem geneigt war.

»Wenn der Kerl so weitermacht«, meinte Morrill, »dann wird er in Zukunft wahrscheinlich direkt an Ihr Department schreiben. Wenn er aber ein ausgemachter Egomane ist, wird er sich wohl weiter an die größten Zeitungen wenden.«

Toschi blickte auf die Schlagzeilen des heutigen
Chronicle
hinunter: »Mysteriöser Briefschreiber prahlt mit Mord an Taxifahrer und vier weiteren Morden.« Die Zeitung druckte noch einmal das Phantombild des Killers sowie die erste Hälfte des Briefes ab.

Auf Wunsch der Polizei wurde die Drohung am Ende des Briefes weggelassen, während die zuständigen Behörden überlegten, wie sie mit der Sache umgehen sollten.

 

Freitag, 17. Oktober 1969

 

Schließlich wurde auch die Drohung des Zodiac zum Abdruck freigegeben. Die Öffentlichkeit reagierte mit Panik, die sich in allen Medien widerspiegelte. Es wurde eine dringende Mitteilung an Polizei, Behörden und Schulräte ausgegeben:

An alle zuständigen Behörden (…)

In San Francisco wurde ein Taxifahrer von einem Psychopathen ermordet (…) der nun damit droht, »einen ganzen Schulbus auszulöschen (…) und die Kleinen einen nach dem anderen aufs Korn zu nehmen, wenn sie aus dem Bus gelaufen kommen.«

 
 

Es folgten konkrete Ratschläge an alle Schulbusfahrer, wie sie im Falle eines Angriffs auf den Bus reagieren sollten:

1. Der Fahrer soll auch im Falle eines platten Reifens weiterfahren und unter keinen Umständen anhalten.
2. Sagen Sie den Kindern, dass sie sich flach auf den Boden legen sollen.
3. Der Fahrer soll weiterfahren und alle Lichter einschalten sowie laut hupen.
4. Der Schulbus soll erst in einer belebten Gegend anhalten.
BOOK: Zodiac
5.84Mb size Format: txt, pdf, ePub
ads

Other books

Red Mesa by Aimée & David Thurlo
Run or Die by Kilian, Jornet
Driven By Fate by Tessa Bailey
My Year Inside Radical Islam by Daveed Gartenstein-Ross
Tangled by Mary Balogh
The Merman by Carl-Johan Vallgren
Grown Folks Business by Victoria Christopher Murray
Tres manos en la fuente by Lindsey Davis