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Authors: Johann Wolfgang Von Goethe

Faust (36 page)

BOOK: Faust
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CHOR DER WEIBER.

 
              Mit Spezereien
750
              Hatten wir ihn gepflegt,
 
              Wir seine Treuen
 
              Hatten ihn hingelegt;
 
              Tücher und Binden
 
              Reinlich umwanden wir,
 
              Ach! und wir finden
 
              Christ nicht mehr hier.

CHOR DER ENGEL.

 
              Christ ist erstanden!
 
              Selig der Liebende,
 
              Der die betrübende,
760
              Heilsam’ und übende
 
              Prüfung bestanden.

FAUST.

 
Was sucht ihr, mächtig und gelind,
 
Ihr Himmelstöne, mich am Staube?
 
Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.
 
Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube;
 
Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.
 
Zu jenen Sphären wag’ ich nicht zu streben,
 
Woher die holde Nachricht tönt;
 
Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,
770
Ruft er auch jezt zurück mich in das Leben.
 
Sonst stürzte sich der Himmelsliebe Kuß
 
Auf mich herab, in ernster Sabbatstille;
 
Da klang so ahnungsvoll des Glockentones Fülle,
 
Und ein Gebet war brünstiger Genuß;
 
Ein unbegreiflich holdes Sehnen
 
Trieb mich, durch Wald und Wiesen hinzugehn,
 
Und unter tausend heißen Tränen
 
Fühlt’ ich mir eine Welt entstehn.
 
Dies Lied verkündete der Jugend muntre Spiele,
780
Der Frühlingsfeier freies Glück;
 
Erinnrung hält mich nun mit kindlichem Gefühle
 
Vom letzten, ernsten Schritt zurück.
 
O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!
 
Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder!

CHOR DER JÜNGER.

 
              Hat der Begrabene
 
              
Schon sich nach oben,
 
              Lebend Erhabene,
 
              Herrlich erhoben,
 
              Ist er in Werdelust
790
              Schaffender Freude nah:
 
              Ach! an der Erde Brust
 
              Sind wir zum Leide da.
 
              Ließ er die Seinen
 
              Schmachtend uns hier zurück;
 
              Ach! wir beweinen,
 
              Meister, dein Glück!

CHOR DER ENGEL.

 
              Christ ist erstanden,
 
              Aus der Verwesung Schoß;
 
              Reißet von Banden
800
              Freudig euch los!
 
              Tätig ihn Preisenden,
 
              Liebe Beweisenden,
 
              Brüderlich Speisenden,
 
              Predigend Reisenden,
 
              Wonne Verheißenden
 
              Euch ist der Meister nah,
 
              Euch ist er da!
VOR DEM TOR

Spaziergänger aller Art ziehen hinaus
.

EINIGE HANDWERKSBURSCHEN.

 
Warum denn dort hinaus?

ANDRE.

 
Wir gehn hinaus aufs Jägerhaus.

DIE ERSTEN.

810
Wir aber wollen nach der Mühle wandern.

EIN HANDWERKSBURSCH.

 
Ich rat’ euch, nach dem Wasserhof zu gehn.

ZWEITER.

 
Der Weg dahin ist gar nicht schön.

DIE ZWEITEN.

 
Was tust denn du?

EIN DRITTER.

 
                                   Ich gehe mit den andern.

VIERTER.

 
Nach Burgdorf kommt herauf, gewiß dort findet ihr
 
Die schönsten Mädchen und das beste Bier,
 
Und Händel von der ersten Sorte.

FÜNFTER.

 
Du überlustiger Gesell,
 
Juckt dich zum drittenmal das Fell?
 
Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.

DIENSTMÄDCHEN.

820
Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zurück.

ANDRE.

 
Wir finden ihn gewiß bei jenen Pappeln stehen.

ERSTE.

 
Das ist für mich kein großes Glück;
 
Er wird an deiner Seite gehen,
 
Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.
 
Was gehn mich deine Freuden an!

ANDRE.

 
Heut ist er sicher nicht allein,
 
Der Krauskopf, sagt er, würde bei ihm sein.

SCHÜLER.

 
Blitz, wie die wackern Dirnen schreiten!
 
Herr Bruder, komm! wir müssen sie begleiten,
830
Ein starkes Bier, ein beizender Toback
 
Und eine Magd im Putz, das ist nun mein Geschmack.

BÜRGERMÄDCHEN.

 
Da sieh mir nur die schönen Knaben!
 
Es ist wahrhaftig eine Schmach:
 
Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben,
 
Und laufen diesen Mägden nach!

ZWEITER SCHÜLER
(
zum ersten
)
.

 
Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwei,
 
Sie sind gar niedlich angezogen,
 
’s ist meine Nachbarin dabei;
 
Ich bin dem Mädchen sehr gewogen.
840
Sie gehen ihren stillen Schritt
 
Und nehmen uns doch auch am Ende mit.

ERSTER.

 
Herr Bruder, nein! Ich bin nicht gern geniert.
 
Geschwind! daß wir das Wildbret nicht verlieren.
 
Die Hand, die Samstags ihren Besen führt,
 
Wird Sonntags dich am besten karessieren.

BÜRGER.

 
Nein, er gefällt mir nicht, der neue Burgemeister!
 
Nun, da er’s ist, wird er nur täglich dreister.
 
Und für die Stadt was tut denn er?
 
Wird es nicht alle Tage schlimmer?
850
Gehorchen soll man mehr als immer,
 
Und zahlen mehr als je vorher.

BETTLER
(
singt
)
.

 
              Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen,
 
              So wohlgeputzt und backenrot,
 
              Belieb’ es euch, mich anzuschauen,
 
              Und seht und mildert meine Not!
 
              Laßt hier mich nicht vergebens leiern!
 
              Nur der ist froh, der geben mag.
 
              Ein Tag, den alle Menschen feiern,
 
              Er sei für mich ein Erntetag.

ANDRER BÜRGER.

860
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
 
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
 
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
 
Die Völker auf einander schlagen.
 
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
 
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
 
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
 
Und segnet Fried’ und Friedenszeiten.

DRITTER BÜRGER.

 
Herr Nachbar, ja! so laß ich’s auch geschehn,
 
Sie mögen sich die Köpfe spalten,
870
Mag alles durch einander gehn;
 
Doch nur zu Hause bleib’s beim alten.

ALTE
(
zu den
BÜRGERMÄDCHEN
)
.

 
Ei! wie geputzt! das schöne junge Blut!
 
Wer soll sich nicht in euch vergaffen?—
 
Nur nicht so stolz! Es ist schon gut!
 
Und was ihr wünscht, das wüßt’ ich wohl zu schaffen.

BÜRGERMÄDCHEN.

 
Agathe, fort! ich nehme mich in acht,
 
Mit solchen Hexen öffentlich zu gehen;
 
Sie ließ mich zwar in Sankt Andreas’ Nacht
 
Den künft’gen Liebsten leiblich sehen—

DIE ANDRE.

880
Mir zeigte sie ihn im Kristall,
 
Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen;
 
Ich seh’ mich um, ich such’ ihn überall,
 
Allein mir will er nicht begegnen.

SOLDATEN.

 
              Burgen mit hohen
 
              Mauern und Zinnen,
 
              Mädchen mit stolzen
 
              Höhnenden Sinnen
 
              Möcht’ ich gewinnen!
 
              Kühn ist das Mühen,
890
              Herrlich der Lohn!
 
              Und die Trompete
 
              Lassen wir werben,
 
              Wie zu der Freude,
 
              So zum Verderben.
 
              Das ist ein Stürmen!
 
              Das ist ein Leben!
 
              Mädchen und Burgen
 
              Müssen sich geben.
 
              Kühn ist das Mühen,
900
              Herrlich der Lohn!
 
              Und die Soldaten
 
              Ziehen davon.
 
 
 
        (
FAUST
und
WAGNER
.)

FAUST.

 
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
 
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
 
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
 
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
 
Zog sich in rauhe Berge zurück.
 
Von dorther sendet er, fliehend, nur
 
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
910
In Streifen über die grünende Flur;
 
Aber die Sonne duldet kein Weißes:
 
Überall regt sich Bildung und Streben,
 
Alles will sie mit Farben beleben;
 
Doch an Blumen fehlt’s im Revier,
 
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
 
Kehre dich um, von diesen Höhen
 
Nach der Stadt zurückzusehen.
 
Aus dem hohlen finstern Tor
 
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
920
Jeder sonnt sich heute so gern.
 
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
 
Denn sie sind selber auferstanden,
 
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
 
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
 
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
 
Aus der Straßen quetschender Enge,
 
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
 
Sind sie alle ans Licht gebracht.
 
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
930
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
 
Wie der Fluß, in Breit’ und Länge,
 
So manchen lustigen Nachen bewegt,
 
Und bis zum Sinken überladen
 
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
 
Selbst von des Berges fernen Pfaden
 
Blinken uns farbige Kleider an.
 
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
 
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
 
Zufrieden jauchzet groß und klein.
940
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!
BOOK: Faust
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