Sebastian (63 page)

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Authors: Anne Bishop

Tags: #Fiction, #Fantasy, #General

BOOK: Sebastian
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»Er wird zurückkommen«, sagte er leise, aber mit Überzeugung in der Stimme. »Sebastian wird zurückkommen.«
»Und das ist der Grund, mein Freund, aus dem Belladonna Euch hier haben wollte. Warum sie Euch braucht«, sagte Yoshani sanft. »Weil Ihr daran glaubt, dass er zurückkehrt. Weil Ihr von ganzem Herzen daran glaubt.«
Teaser spürte, wie die Wahrheit dieser Worte ihn ergriff. »Ja. Das tue ich.«
 
Glorianna erwachte stöhnend. »Ich bin zu alt, um auf dem Boden zu schlafen.«
»Du bist nicht alt; du bist dreißig«, erwiderte Lee. »Und du liegst nicht auf dem Boden; du liegst auf einer Decke.«
»Das macht es auch nicht viel weicher.« Sie setzte sich auf. Sie hatte einen schlechten Geschmack im Mund, ihre Augen waren verklebt, und sie war sich ziemlich sicher, dass sie diesen Geruch verströmte, der sie die
Nase rümpfen ließ. Aber noch etwas anderes lag in der Luft … Sie schlug die Augen ganz auf. »Kaffee?«
»Und etwas zu essen.« Lee deutete mit einer Hand auf den Korb neben ihm. In der anderen Hand hielt er eine Tasse Kaffee.
»Warum hast du mich nicht geweckt, damit wir im Gästehaus schlafen können?«, beschwerte sie sich und strich sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht.
»Ich habe lange genug mit einem Stein auf einen leeren Topf eingeschlagen, um alle
im
Gästehaus aufzuwecken. Du hast nicht einmal gezuckt. Ich musste dich auf die Decke rollen.« Er stellte seine Tasse ab, nahm eine andere aus dem Korb und füllte sie mit Kaffee aus einer Kanne. »Also hör auf zu jammern.«
»Ich jammere nicht.«
»Tust du doch.«
»Tue … ich … nicht.« Sie starrte ihn an. »Gibst du mir jetzt diesen Kaffee?«
»Hörst du auf zu jammern?«
»Ich - Gib ihn mir einfach.«
Grinsend reichte er ihr die Tasse, trank einen Schluck seines eigenen Kaffees, griff dann in den Korb und holte einen Teller mit Brot, Käse und Weintrauben heraus.
Sie aßen in freundlichem Schweigen, während sie dem Lied der Vögel und dem Plätschern des Brunnens lauschten.
»Also«, sagte Lee und teilte den Rest des Kaffees gerecht zwischen ihnen auf. »Die Wächter der Dunkelheit sind eingeschlossen und können die Welt nicht mehr erreichen.«
»Es gibt andere, die nicht in der Stadt waren«, sagte Glorianna.
»Aber ihr wahres Gesicht wurde offenbart. Sie können nicht länger vorgeben, magiebegabte Menschen zu sein.«
»Nein, das können sie nicht. Aber es gibt auch Zauberer,
die so viel menschliches Blut in sich tragen, dass sich ihre Erscheinung nicht verändern wird.«
»Dann haben sie die Wahl, oder nicht? Jetzt, da die anderen als Wächter der Dunkelheit enttarnt wurden, können sie sich aussuchen, weiter den Dunklen Strömungen zu folgen, die den Rat der Zauberer stärken, oder Rechtsbringer im wahren Sinne zu werden.«
Sie nickte. »Die Landschafferinnen, die den Angriff auf die Schule überlebt haben, werden ebenfalls eine Wahl treffen müssen. Ich kann ihnen helfen, wenn sie mich lassen. Aber ich bin mir nicht sicher, dass sie das tun werden.«
»Können sie dir helfen?«
Sie schüttelte den Kopf. Dies wusste sie bereits mit Sicherheit. »Sie tragen nicht das in sich, was es braucht, um den Weltenfresser zu bekämpfen.«
»Du kannst nicht alleine gegen ihn antreten, Glorianna.«
Ich glaube nicht, dass ich eine Wahl haben werde.
»Wir werden sehen.«
Er zögerte, dann fragte er leise: »Was ist mit Sebastian?«
»Ich weiß, wo Sebastian ist.« Dann fügte sie genauso leise hinzu: »Wenn er auf sein Herz gehört hat.«
Kapitel Siebenundzwanzig
Das Geräusch von Wellen, die an den Strand rollten. Ein gleichmäßiger Klang. Vertraut. Tröstlich.
Sebastian drehte sich auf den Rücken und schlug die Augen auf. Dunkelheit umgab ihn. Er hatte nichts anderes erwartet. Nicht wirklich. Und doch hatte ein kleiner Teil seiner Seele, kurz bevor das Urteil des Herzens sie davontrug, gehofft -
Lynnea!
Mit einem Ruck setzte er sich auf. Als er ein leises Stöhnen hörte, wandte er sich nach links. Er tastete den Boden ab und fand ihre Hand, ihren Arm.
Er erhob sich auf die Knie und untersuchte sie vorsichtig, ließ seine Hände über ihren ganzen Körper wandern. Keine spitzen Knochenstücke. Keine feuchten Flecken, die darauf hindeuten würden, dass sie blutete.
Sie stöhnte erneut und sagte dann zögernd: »Sebastian?«
»Bleib still liegen, Liebling.« Seine Hände legten sich auf ihre Schultern, um sie unten zu halten. »Bist du verletzt? Hast du Schmerzen?« Ihr Genick. Was, wenn sie sich am Genick verletzt hätte? »Kannst du dich bewegen?«
»Ich könnte, wenn du mich nicht auf den Boden drücken würdest. Lass mich aufstehen. Da ist ein Stein, der sich in meinen Hintern bohrt.«
Er half ihr, sich aufzusetzen, dann zog er sie in seine Arme, hielt sich an ihr fest und unterdrückte das Schluchzen, das jeden Moment drohte, aus ihm herauszubrechen.
»Du Närrin«, sagte er mit brechender Stimme. »Warum
hast du das getan? Ich habe Glorianna darum gebeten, dir deinen Herzenswunsch zu erfüllen. Ich habe sie
gebeten
, von Herz zu Herz. Und sie hätte ihn dir erfüllt, weil ich sie gebeten habe. Urteil des Herzens oder nicht, sie
hätte
ihn dir erfüllt.«
»Und das hat sie auch getan«, sagte Lynnea und hob eine Hand, um sein Gesicht zu berühren. »Sie hat mir meinen Herzenswunsch erfüllt. Ich wollte mit dir zusammen sein.«
Er begann zu weinen. Er konnte nicht aufhören, konnte die Tränen nicht zurückhalten. »Ich liebe dich, Lynnea. Ich liebe dich.«
»Und ich liebe dich, Sebastian. Von ganzem Herzen.«
Er schniefte und wischte sich die Tränen ab. Versuchte, seine Fassung wiederzugewinnen. »Wir werden ein schönes Leben haben. Irgendwie werden wir ein schönes Leben haben.«
»Ja, das werden wir. Zusammen. Aber …«
Er fühlte, wie sie den Kopf bewegte, als sie sich umsah. Nein, er
sah
, wie sie den Kopf bewegte.
Es war nicht mehr ganz so dunkel, wie noch vor ein paar Minuten.
»Wo sind wir?«, fragte Lynnea.
Er blickte sich um und ein Ruck ging durch ihn hindurch. Es konnte nicht sein. Oder etwa doch?
Der See. Die Reihe hoher Büsche, die als Windschutz gepflanzt worden waren. Die Bäume. Und die breite Lücke zwischen den Bäumen, von der aus man freie Sicht über den See hatte … und das Mondlicht.
»Ich glaube, ich weiß wo wir sind«, sagte er und zog Lynnea auf die Füße. »Komm mit.« Er ergriff ihre Hand und führte sie durch die Bäume, bis sie auf einen Schotterweg trafen.
»Es ist dein Cottage«, flüsterte Lynnea.
»Unser Cottage.«
Er näherte sich ihm langsam, sah es sich in diesem
seltsamen grauen Licht genau an. Es war ganz bestimmt sein Cottage, aber es war nicht die gleiche Landschaft. Dieses Mondlicht war wirklich sehr sonderbar.
Er blickte das Haus schief an. Die Fensterläden brauchten einen Anstrich.
»Sebastian?«
Das war ihm im Mondlicht noch nie aufgefallen.
»Sebastian.«
Er drehte sich um, Panik stieg in ihm auf, als er bemerkte, dass Lynnea sich ein Stück von ihm entfernt hatte und durch die Lücke zwischen den Bäumen starrte. Als sie auf die Klippen und den See zulief, eilte er ihr hinterher.
»Lynnea, warte. Wir kennen diese Landschaft nicht. Wir wissen nicht -« Er blieb stehen. Seine Augen weiteten sich.
»Oh«, sagte Lynnea lachend und weinend zugleich. »Oh, Sebastian.« Sie schlang die Arme um ihn. »Ist es nicht wunderschön?«
Er konnte nicht sprechen. Er starrte einfach geradeaus und blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten. Seit fünfzehn Jahren hatte er so etwas nicht mehr gesehen. Dieses Mal wollte er keinen Augenblick verpassen.
Die Arme um Lynnea geschlungen, sah er zu, wie die Sonne aufging.
Danke, Glorianna Belladonna.
Im Sonnenschein gingen sie zurück zum Cottage und hörten wie jemand rief: »Hey-a, das Haus!«
Sie liefen um das Cottage herum und sahen Jeb, der in der Nähe der Bäume stand und einen Korb in der Hand hielt. Erleichterung zeigte sich auf seinen Zügen, als er sie erblickte.
»Wie …?«, fragte Sebastian.
»Glorianna ist gestern vorbeigekommen und hat uns erzählt, dass man dich in die Stadt der Zauberer gebracht hat. Sie sagte, wenn du deinem Herzen gefolgt bist, würden wir euch hier finden, sobald der Morgen anbricht.«
Jeb grinste Lynnea an. »Und hier seid ihr.« Dann wurde er wieder ernst. Mit einem Blick auf Sebastian fügte er hinzu: »Ich glaube, sie hat die ganzen letzten Jahre darauf gewartet, dass du bereit sein würdest, wieder im Licht zu leben. Ich denke, jetzt hast du einen Grund gefunden, es zu versuchen.«
»Ich glaube schon«, sagte Sebastian mit belegter Stimme. So viele Gefühle erfüllten ihn. Glorianna Belladonna blieb kein Geheimnis des Herzens verborgen.
»Aber … wo sind wir?«
Jeb kratzte sich am Nacken. »Na ja, ich bin keine Landschafferin, also kann ich es dir nicht mit Sicherheit sagen, aber soweit ich mitbekommen habe, liegt der Pfuhl noch immer hier den Weg hinunter. Und wenn man ihm in die andere Richtung folgt, kommt man auf die Hauptstraße, die nach Aurora führt.«
»Dann muss dieses Cottage jemandem gehören.« Sebastian fühlte einen Stich des Bedauerns.
»Das Cottage und das umliegende Land gehören deiner Tante. Sie und Glorianna... Na ja, du wirst sie fragen müssen, wie sie sich das gedacht haben.« Jeb betrachtete die Rückseite des Cottages. »Die Fensterläden könnten einen Anstrich vertragen. Ich kann dir helfen, wenn du willst.«
»Danke.«
»Das tue ich gern. Oh. Deine Tante schickt euch diesen Korb.« Jeb stellte den Korb neben Lynnea. »Sie hat sich gedacht, dass ihr beiden keine Vorräte habt. Sie sagte, ihr seid heute Abend herzlich zum Essen eingeladen.«
»Ich muss heute Abend nach dem Pfuhl sehen. Ich will sichergehen, dass alle in Ordnung sind.«
»Gut, dann morgen. Glorianna und Lee kommen zum Abendessen. Ich denke, du wirst mit Lee darüber sprechen müssen, welche Brücken jetzt vielleicht gebraucht werden, da die Landschaft sich verändert hat.«
»Oh!«, sagte Lynnea. »Die Brücke zu Nadias Haus ist immer noch im Wald?«
Jeb lachte leise. »Wir brauchen keine Brücke mehr. Ihr seid jetzt in derselben Landschaft. Folgt einfach nur dem Pfad. Er hat schon immer dort hingeführt.« Er trat von einem Fuß auf den anderen. Betrachtete das Dach des Cottages.
»Gibt es sonst noch etwas?«, fragte Sebastian.
»Ein paar Sachen eigentlich. Erstens …« Jeb griff in seine Tasche. »Deine Tante war sich nicht sicher, ob einer von euch einen Schlüssel dabeihaben haben würde, also hat sie mir diesen mitgegeben. Zweitens …« Jetzt sah er aus, als sei ihm die nächste Ankündigung unangenehm. »Ich weiß, dass die Leute im Pfuhl die Dinge vielleicht etwas anders sehen als in den übrigen Landschaften, und ich weiß, dass ihr beide hier zwischen zwei Stühlen sitzt, aber ihr habt ja auch vor, Zeit in Aurora zu verbringen, dort einzukaufen und was weiß ich. Die Sache ist so, wenn ihr nicht wollt, dass die Leute Dinge sagen, zu denen sie kein Recht haben, solltest du das Mädchen heiraten.«
Sebastian tippte sich an den Kopf. »Dasselbe könnte ich zu dir sagen.«
Jeb blickte verlegen auf seine Schuhe. »Ich habe sie bereits gefragt.«
»Und?« Er zog das Wort in die Länge.
Jeb straffte die Schultern. »Deine Tante hat gesagt, sie würde mich genau eine Woche nach dem Tag heiraten, an dem du zum Ehemann wirst.«
Sebastian warf Jeb ein wölfisches Lächeln zu. »Sag Tante Nadia, dass ihre Hochzeit heute in zwei Wochen stattfinden wird.« Als Lynnea den Kopf schief legte und ihn ansah, fiel ihm auf, dass er einen wichtigen Schritt ausgelassen hatte. »Wenn es dir nichts ausmacht, in einer Woche zu heiraten. Und... und wenn du mich heiraten willst.«
»Ist das ein Antrag?«, fragte Lynnea und klang verwirrt genug, um ihn zum Schwitzen zu bringen.
»Zwar ein sehr ungeschickter«, sagte Jeb grinsend, »aber ich finde, es klang wie ein Antrag.«
Lynnea warf Sebastian die Arme um den Hals. »Nein, es macht mir nichts aus, und ja, ich will dich heiraten!«
Er nahm sie fest in den Arm, hob sie hoch und drehte sich mit ihr im Kreis. Als er sie absetzte, senkte er den Kopf, um ihr einen Kuss zu geben, der die Luft zum Knistern bringen würde. Bevor seine Lippen die ihren berührten, räusperte sich Jeb.
Sebastian lehnte seine Stirn gegen Lynneas. »Du bist noch hier?«
»Da war noch was, das deine Tante mir aufgetragen hat.«
Seine Tante war ja ein wahrer Nachrichtenfundus.
»Ein Pärchen Wellensittiche hat vor ein paar Wochen drei Babys ausgebrütet. Nadia dachte, ihr hättet vielleicht -«
»Ein Baby-Sparky?« Lynneas Augen strahlten vor Begeisterung.
Sebastian unterdrückte ein Stöhnen, als er den Glanz in ihren Augen sah. Er musste wohl lernen, mit einem kleinen Federkopf zu leben.
»Ihr könnt sie euch anschauen, wenn ihr zum Abendessen kommt.« Jeb hob zwei Finger zum Gruß, drehte sich endlich um und lief zurück in den Wald.

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