The Kraus Project (31 page)

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Authors: Karl Kraus

BOOK: The Kraus Project
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Let No One Ask … (1934)

1
.
I’m grateful to the gifted translators Damion Searls and Jonathan Galassi for their help in rendering this poem, and to Daniel Kehlmann for this short essay about it:
      
“‘Let no one ask…’ is a poem about appropriateness, the right word for the right occasion.
For decades, Kraus had hounded stupid journalists, incorrect usage, bad usage, and everything else wrong with a late-feudal-bourgeois society stultified by the media.
But now, suddenly, he was confronted with a phenomenon of an entirely different order, a thing more evil and horrifying than perhaps any the world had ever seen.
In contrast to many of his contemporaries, Kraus recognized this circumstance immediately.
He saw what was new about National Socialism, he understood what Hitler was trying to do, and he was under no illusions that this all could end in anything but an epochal catastrophe.
      
“And so at first he wrote—nothing.
There was no reaction from Karl Kraus to Hitler’s seizure of power; month after month went by, and
Die Fackel
failed to appear.
Kraus’s admirers expected that he would eloquently attack Hitler, criticize him, condemn him, mock him, but instead: not a word.
From today’s standpoint, it seems easy to understand this silence as precisely the commentary whose failure to appear so appalled Kraus’s readers.
And yet it was simply not appropriate to take the same words and the same raging tone in which the
Neue Freie Presse
, Franz Lehár, and Max Reinhardt had been attacked and apply them to Goebbels, Göring, and Hitler, as if there were ultimately no difference between them.
So Kraus remained silent, unshakably so, even as many of his followers turned away from him.
      
“All the while, as we now know, he was writing a lengthy book from which he would much later, in July 1934, print excerpts under the title ‘Why
Die Fackel
Isn’t Coming Out,’ and which appeared in its entirety, as
The Third Walpurgis Night
, only posthumously (which also, by the way, ought to forever put to rest the idea that ‘nobody could have known’ from the outset how dangerous the Nazis were).
But finally, in 1933, the year of the putsch—in late October, to be precise, nine months after Hitler became chancellor—one solitary issue of
Die Fackel
came out.
It was four pages long, and it contained Kraus’s obituary of his architect friend Adolf Loos (the great rationalist and enemy of baroque ornament), an advertisement for Kraus’s own translation of Shakespeare’s sonnets, and the poem ‘Let no one ask…’
      
“The poem is about the powerlessness of words in the face of a development so dark as to have gone beyond the reach of satire.
Kraus was never one of the great German lyric poets, except in this one moment.
‘Let no one ask…’ is far and away his best poem, a masterpiece of brevity and despair, its pathos immanent in its very laconicism.
In a way, it remains Kraus’s most important statement about National Socialism, artistically superior even to
The Third Walpurgis Night
, because it is so short.
And we shouldn’t forget that this isn’t a matter of political theory: Kraus fully expected that Austria wouldn’t hold out for long (for this very reason, he supported the clerical-reactionary regime of the Austrian dictator Engelbert Dollfuß, whom he saw as the only politician fighting full-force against this danger), he had no illusions about the cruelty of the Nazis, he had to assume that as soon as they came to power in Austria they would either drive him into exile or kill him—which, if he hadn’t been lucky enough to die of natural causes shortly before then, is exactly what would have happened.
(Try to imagine how Kraus would have fared in exile, and it can’t be done, even as theater of the absurd, it’s just unthinkable.) ‘Let no one ask…,’ which was admired by Bertolt Brecht and Walter Benjamin, among others, is perhaps not the best but certainly one of the most important short poems of the twentieth century, a chilly masterpiece that gives voice to its own muteness.
‘The Word went under when that world awoke’: if it’s even possible for silence to be rendered in words, Kraus succeeds in doing it here.”

H
EINE UND DIE
F
OLGEN

Zwei Richtungen geistiger Unkultur: die Wehrlosigkeit vor dem Stoff und die Wehrlosigkeit vor der Form.
Die eine erlebt in der Kunst nur das Stoffliche.
Sie ist deutscher Herkunft.
Die andere erlebt schon im Stoff das Künstlerische.
Sie ist romanischer Herkunft.
Der einen ist die Kunst ein Instrument; der andern ist das Leben ein Ornament.
In welcher Hölle will der Künstler gebraten sein?
Er möchte doch wohl unter den Deutschen wohnen.
Denn obgleich sie die Kunst in das Patentprokrustesbett ihres Betriebs gespannt haben, so haben sie doch auch das Leben ernüchtert, und das ist ein Segen: Phantasie gewinnt, und in die öden Fensterhöhlen stelle jeder sein eigenes Licht.
Nur keine Girlanden!
Nicht dieser gute Geschmack, der dort drüben und dort unten das Auge erfreut und die Vorstellung belästigt.
Nicht diese Melodie des Lebens, die meine Musik stört, welche sich in dem Gebrause des deutschen Werktags erst zu sich selbst erhebt.
Nicht dieses allgemeine höhere Niveau, auf dem es so leicht ist zu beobachten, daß der Camelot in Paris mehr Grazie hat als der preußische Verleger.
Glaubt mir, ihr Farbenfrohen, in Kulturen, in denen jeder Trottel Individualität besitzt, vertrotteln die Individualitäten.
Und nicht diese mediokre Spitzbüberei der eigenen Dummheit vorgezogen!
Und nicht das malerische Gewimmel auf einer alten Rinde Gorgonzola der verläßlichen Monotonie des weißen Sahnenkäses!
Schwer verdaulich ist das Leben da und dort.
Aber die romanische Diät verschönert den Ekel: da beißt man an und geht drauf.
Die deutsche Lebensordnung verekelt die Schönheit, und stellt uns auf die Probe: wie schaffen wir uns die Schönheit wieder?
Die romanische Kultur macht jedermann zum Dichter.
Da ist die Kunst keine Kunst.
Und der Himmel eine Hölle.

Heinrich Heine aber hat den Deutschen die Botschaft dieses Himmels gebracht, nach dem es ihr Gemüt mit einer Sehnsucht zieht, die sich irgendwo reimen muß und die in unterirdischen Gängen direkt vom Kontor zur blauen Grotte führt.
Und auf einem Seitenweg, den deutsche Männer meiden: von der Gansleber zur blauen Blume.
Es mußte geschehen, daß die einen mit ihrer Sehnsucht, die andern mit ihren Sehnsüchten Heinrich Heine für den Erfüller hielten.
Von einer Kultur gestimmt, die im Lebensstoff schon alle Kunst erlebt, spielt er einer Kultur auf, die von der Kunst nur den stofflichen Reiz empfängt.
Seine Dichtung wirkt aus dem romanischen Lebensgefühl in die deutsche Kunstanschauung.
Und in dieser Bildung bietet sie das utile dulci, ornamentiert sie den deutschen Zweck mit dem französischen Geist.
So, in diesem übersichtlichen Nebeneinander von Form und Inhalt, worin es keinen Zwist gibt und keine Einheit, wird sie die große Erbschaft, von der der Journalismus bis zum heutigen Tage lebt, zwischen Kunst und Leben ein gefährlicher Vermittler, Parasit an beiden, Sänger, wo er nur Bote zu sein hat, meldend, wo zu singen wäre, den Zweck im Auge, wo eine Farbe brennt, zweckblind aus Freude am Malerischen, Fluch der literarischen Utilität, Geist der Utiliteratur.
Das Instrument zum Ornament geworden, und so entartet, daß mit dem kunstgewerblichen Fortschritt in der täglichen Presse kaum noch jene Dekorationswut wetteifern kann, die sich an den Gebrauchsgegenständen betätigt; denn wir haben wenigstens noch nicht gehört, daß die Einbruchsinstrumente in der Wiener Werkstätte erzeugt werden.
Und selbst im Stil der modernsten Impressionsjournalistik verleugnet sich das Heinesche Modell nicht.
Ohne Heine kein Feuilleton.
Das ist die Franzosenkrankheit, die er uns eingeschleppt hat.
Wie leicht wird man krank in Paris!
Wie lockert sich die Moral des deutschen Sprachgefühls!
Die französische gibt sich jedem Filou hin.
Vor der deutschen Sprache muß einer schon ein ganzer Kerl sein, um sie herumzukriegen, und dann macht sie ihm erst die Hölle heiß.
Bei der französischen aber geht es glatt, mit jenem vollkommenen Mangel an Hemmung, der die Vollkommenheit einer Frau und der Mangel einer Sprache ist.
Und die Himmelsleiter, die zu ihr führt, ist eine Klimax, die du im deutschen Wörterbuch findest: Geschmeichel, Geschmeide, Geschmeidig, Geschmeiß.
Jeder hat bei ihr das Glück des Feuilletons.
Sie ist ein Faulenzer der Gedanken.
Der ebenste Kopf ist nicht einfallsicher, wenn er es mit ihr zu tun hat.
Von den Sprachen bekommt man alles, denn alles ist in ihnen, was Gedanke werden kann.
Die Sprache regt an und auf, wie das Weib, gibt die Lust und mit ihr den Gedanken.
Aber die deutsche Sprache ist eine Gefährtin, die nur für den dichtet und denkt, der ihr Kinder machen kann.
Mit keiner deutschen Hausfrau möchte man so verheiratet sein.
Doch die Pariserin braucht nichts zu sagen als im entscheidenden Augenblick très joli, und man glaubt ihr alles.
Sie hat den Geist im Gesicht.
Und hätte ihr Partner dazu die Schönheit im Gehirn, das romanische Leben wäre nicht bloß très joli, sondern fruchtbar, nicht von Niedlichkeiten und Nippes umstellt, sondern von Taten und Monumenten.

Wenn man einem deutschen Autor nachsagt, er müsse bei den Franzosen in die Schule gegangen sein, so ist es erst dann das höchste Lob, wenn es nicht wahr ist.
Denn es will besagen: er verdankt der deutschen Sprache, was die französische jedem gibt.
Hier ist man noch sprachschöpferisch, wenn man dort schon mit den Kindern spielt, die hereingeschneit kamen, man weiß nicht wie.
Aber seit Heinrich Heine den Trick importiert hat, ist es eine pure Fleißaufgabe, wenn deutsche Feuilletonisten nach Paris gehen, um sich Talent zu holen.
Wenn einer heute wirklich nach Rhodus fährt, weil man dort besser tanzen kann, so ist er wahrlich ein übertrieben gewissenhafter Schwindler.
Das war zu Heines Zeit notwendig.
Man war in Rhodus gewesen, und da glaubten sie einem den Hopser.
Heute glauben sie einem Lahmen, der in Wien bleibt, den Cancan, und mancher spielt jetzt die Bratsche, dem einst kein Finger war heil.
Der produktive Anteil der Entfernung vom Leser ist ja noch immer nicht zu unterschätzen, und nach wie vor ist es das fremde Milieu, was sie für Kunst halten.
In den Dschungeln hat man viel Talent, und das Talent beginnt im Osten etwa bei Bukarest.
Der Autor, der fremde Kostüme ausklopft, kommt dem stofflichen Interesse von der denkbar bequemsten Seite bei.
Der geistige Leser hat deshalb das denkbar stärkste Mißtrauen gegen jene Erzähler, die sich in exotischen Milieus herumtreiben.
Der günstigste Fall ist noch, daß sie nicht dort waren; aber die meisten sind leider doch so geartet, daß sie wirklich eine Reise tun müssen, um etwas zu erzählen.
Freilich, zwei Jahre in Paris gewesen zu sein, ist nicht nur der Vorteil solcher Habakuks, sondern ihre Bedingung.
Den Flugsand der französischen Sprache, der jedem Tropf in die Hand weht, streuen sie dem deutschen Leser in die Augen.
Und ihnen gelte die Umkehrung eines Wortes Nestroys, dieses wahren satirischen Denkers: ja von Paris bis St.
Pölten gehts noch, aber von da bis Wien zieht sich der Weg!
(Wenn nicht auf dieser Strecke wieder die Heimatsschwindler ihr Glück machen.) Mit Paris nun hatte man nicht bloß den Stoff, sondern auch die Form gewonnen.
Aber die Form, diese Form, die nur eine Enveloppe des Inhalts, nicht er selbst, die nur das Kleid zum Leib ist und nicht das Fleisch zum Geist, diese Form mußte nur einmal entdeckt werden, um für allemal da zu sein.
Das hat Heinrich Heine besorgt, und dank ihm müssen sich die Herren nicht mehr selbst nach Paris bemühen.
Man kann heute Feuilletons schreiben, ohne zu den Champs Elysées mit der eigenen Nase gerochen zu haben.
Der große sprachschwindlerische Trick, der sich in Deutschland viel besser lohnt als die größte sprachschöpferische Leistung, wirkt fort durch die Zeitungsgeschlechter und schafft aller Welt, welcher Lektüre ein Zeitvertreib ist, den angenehmsten Vorwand, der Literatur auszuweichen.
Das Talent flattert schwerpunktlos in der Welt und gibt dem Haß des Philisters gegen das Genie süße Nahrung.
Ein Feuilleton schreiben heißt auf einer Glatze Locken drehen; aber diese Locken gefallen dem Publikum besser als eine Löwenmähne der Gedanken.
Esprit und Grazie, die gewiß dazu gehört haben, auf den Trick zu kommen und ihn zu handhaben, gibt er selbsttätig weiter.
Mit leichter Hand hat Heine das Tor dieser furchtbaren Entwicklung aufgestoßen, und der Zauberer, der der Unbegabung zum Talent verhalf, steht gewiß nicht allzuhoch über der Entwicklung.

Der Trick wirkt fort.
Der Verschweinung des praktischen Lebens durch das Ornament, wie sie der gute Amerikaner Adolf Loos nachweist, entspricht die Durchsetzung des Journalismus mit Geistelementen, die aber zu einer noch katastrophaleren Verwirrung führen mußte.
Anstatt die Presse geistig trocken zu legen und die Säfte, die aus der Literatur „gepreßt“, ihr erpreßt wurden, wieder der Literatur zuzuführen, betreibt die fortschrittliche Welt immer aufs neue die Renovierung des geistigen Zierats.
Das literarische Ornament wird nicht zerstampft, sondern in den Wiener Werkstätten des Geistes modernisiert.
Feuilleton, Stimmungsbericht, Schmucknotiz – dem Pöbel bringt die Devise „Schmücke dein Heim“ auch die poetischen Schnörkel ins Haus.
Und nichts ist dem Journalismus wichtiger, als die Glasur der Korruption immer wieder auf den Glanz herzurichten.
In dem Maße, als er den Wucher an dem geistigen und materiellen Wohlstand steigert, wächst auch sein Bedürfnis, die Hülle der schlechten Absicht gefällig zu machen.
Dazu hilft der Geist selbst, der sich opfert, und der Geist, der dem Geist erstohlen ward.
Der Fischzug einer Sonntagsauflage kann nicht mehr ohne den Köder der höchsten literarischen Werte sich vollziehen, der „Volkswirt“ läßt sich auf keinen Raub mehr ein, ohne daß die überlebenden Vertreter der Kultur die Hehler machen.
Aber weit schändlicher als diese Aufführung der Literatur im Triumph dieses Raubzugs, weit gefährlicher als dies Attachement geistiger Autorität an die Schurkerei, ist deren Durchsetzung, deren Verbrämung mit dem Geist, den sie der Literatur abgezapft hat und den sie durch die lokalen Teile und alle andern Aborte der öffentlichen Meinung schleift.
Die Presse als eine soziale Einrichtung, weils denn einmal unvermeidlich ist, daß die Phantasiearmut mit Tatsachen geschoppt wird, hätte in der fortschrittlichen Ordnung ihren Platz.
Was aber hat die Meldung, daß es in Hongkong geregnet hat, mit dem Geist zu schaffen?
Und warum erfordert eine arrangierte Börsenkatastrophe oder eine kleine Erpressung oder gar nur die unbezahlte Verschweigung einer Tatsache den ganzen großen Apparat, an dem mitzuwirken Akademiker sich nicht scheuen und selbst Ästheten den Schweiß ihrer Füße sich kosten lassen?
Daß Bahnhöfe oder Anstandsorte, Werke des Nutzens und der Notwendigkeit, mit Kinkerlitzchen dekoriert werden, ist erträglich.
Aber warum werden Räuberhöhlen von Van de Velde eingerichtet?
Nur deshalb, weil sonst ihr Zweck auf den ersten Blick kenntlich wäre und die Passanten sich nicht willig täglich zweimal die Taschen umkehren ließen.
Die Neugierde ist immer größer als die Vorsicht, und darum schmückt sich die Lumperei mit Troddeln und Tressen.

Ihren besten Vorteil dankt sie jenem Heinrich Heine, der der deutschen Sprache so sehr das Mieder gelockert hat, daß heute alle Kommis an ihren Brüsten fingern können.
Das Gräßliche an dem Schauspiel ist die Identität dieser Talente, die einander wie ein faules Ei dem andern gleichen.
Die impressionistischen Laufburschen melden heute keinen Beinbruch mehr ohne Stimmung und keine Feuersbrunst ohne die allen gemeinsame persönliche Note.
Wenn der eine den deutschen Kaiser beschreibt, beschreibt er ihn genau so, wie der andere den Wiener Bürgermeister, und von den Ringkämpfern weiß der andere nichts anderes zu sagen, als der eine von einem Flußbad.
Immer paßt alles zu allem, und die Unfähigkeit, alte Worte zu finden, ist eine Subtilität, wenn schon die neuen zu allem passen.
Dieser Typus ist entweder ein Beobachter, der in schwelgerischen Adjektiven reichlich einbringt, was ihm die Natur an Hauptwörtern versagt hat, oder ein Ästhet, der durch Liebe zur Farbe und durch Sinn für die Nuance hervorsticht und an den Dingen der Erscheinungswelt noch so viel wahrnimmt, als Schwarz unter den Fingernagel geht.
Dabei haben sie einen Entdeckerton, der eine Welt voraussetzt, die eben erst erschaffen wurde, als Gott das Sonntagsfeuilleton erschuf und sahe, daß es gut war.
Diese jungen Leute gehen zum erstenmal in ein Bad, wenn sie als Berichterstatter hineingeschickt werden.
Das mag ein Erlebnis sein.
Aber sie verallgemeinern es.
Freilich kommt die Methode, einen Livingston in der dunkelsten Leopoldstadt zu zeigen, der Wiener Phantasiearmut zu Hilfe.
Denn die kann sich einen Beinbruch nicht vorstellen, wenn man ihr nicht das Bein beschreibt.
In Berlin steht es trotz üblem Ehrgeiz noch nicht so schlimm.
Wenn dort ein Straßenbahnunfall geschehen ist, so beschreiben die Berliner Reporter den Unfall.
Sie greifen das Besondere dieses Straßenbahnunfalls heraus und ersparen dem Leser das allen Straßenbahnunfällen Gemeinsame.
Wenn in Wien ein Straßenbahnunglück geschieht, so schreiben die Herren über das Wesen der Straßenbahn, über das Wesen des Straßenbahnunglücks und über das Wesen des Unglücks überhaupt, mit der Perspektive: Was ist der Mensch?… Über die Zahl der Toten, die uns etwa noch interessieren würde, gehen die Meinungen auseinander, wenn sich nicht eine Korrespondenz ins Mittel legt.
Aber die Stimmung, die Stimmung treffen sie alle; und der Reporter, der als Kehrichtsammler der Tatsachenwelt sich nützlich machen könnte, kommt immer mit einem Fetzen Poesie gelaufen, den er irgendwo im Gedränge an sich gerissen hat.
Der eine sieht grün, der andere sieht gelb – Farben sehen sie alle.

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