Zodiac (42 page)

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Authors: Robert Graysmith

Tags: #True Crime, #Murder, #Serial Killers

BOOK: Zodiac
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Husted kam mit Verspätung in sein Büro. Er trug Westernkleidung und auch das Pistolenhalfter außen. Wie gewöhnlich, war er braun gebrannt und fit. Neben seiner Arbeit als Polizist leitete Husted auch noch das Institut für Stressmanagement und Hypnose in der Marin Street. Er war Experte auf dem Gebiet der Hypnose - eine Fähigkeit, die er in manchen Strafprozessen anwandte, indem er Zeugen in Trance versetzte und ihre Aussagen aufnahm. Es war Husteds Idee, Kathleen Johns, die Frau, die mit ihrem Baby dem Zodiac-Killer entwischt war, zu einer solchen Hypnosesitzung einzuladen, damit sie vielleicht auf diese Weise den Täter genauer beschreiben konnte. Doch die Polizei konnte die Frau nirgendwo finden.

Husted war froh, dass ich ihm Informationen über Don Andrews, Narlows heißesten Verdächtigen, liefern konnte. »Wir hier können von uns aus nicht nach dem Verdächtigen aus Napa suchen, ohne damit Narlow in die Quere zu kommen. Deshalb kommt es mir sehr gelegen, dass Sie mir etwas über den Mann liefern. Ich muss vor allem wissen, wo Andrews steckt. Wissen Sie es zufällig?«

»Er ist irgendwo in San Francisco«, antwortete ich, »aber um ehrlich zu sein, ich habe so meine Zweifel, ob er der Mann ist, den wir suchen. Die Zeugen im Mordfall Stine meinen, dass er zu alt und zu dick sei.«

Dann fragte ich Husted nach Starr, den Verdächtigen, der Toschi einen Brief geschrieben hatte. »Diesen Starr finde ich ziemlich interessant«, erklärte ich ihm. »Ich finde es sehr bemerkenswert, dass er Toschi geschrieben hat.«

»Ich verstehe, was Sie meinen«, antwortete Husted. »Er war immer schon mein Favorit.«

Den Rest des Tages unterhielten wir uns über Starr, der mittlerweile nicht mehr studierte, sondern 1971 nach Santa Rosa übersiedelt war, wo er als Verkäufer arbeitete. Seine Mutter hatte im August 1975 ein Haus in der Stadt gekauft.

Noch an diesem Abend begann ich mit meinem Bericht über den heißesten Verdächtigen im Zodiac-Fall, der mir bis dahin untergekommen war.

 

1

 

Robert »Bob« Hall Starr

 

In den Jahren 1968 bis 1970, als diejenigen Morde verübt wurden, die definitiv Zodiac angerechnet werden konnten, war Robert »Bob« Hall Starr (Name geändert) noch Student und lebte zusammen mit seiner Mutter in deren Haus in Vallejo. Er war hochintelligent - sein IQ lag bei etwa 135. Im Jahr 1971 besaß er einen Wohnwagen in Santa Rosa. 1969 hatte er äußerlich der Beschreibung des Zodiac-Killers entsprochen. Er lebte zurückgezogen, sammelte Gewehre und ging gern auf die Jagd. Gegenüber seiner Schwägerin und seinem Bruder hatte er einmal erwähnt, dass es für einen Jäger am gefährlichsten sei, »Menschen zu jagen.«

Im November 1969 sah seine Schwägerin Sheila (Name geändert) einmal, dass er ein Blatt Papier in der Hand hielt, und fragte ihn, was das sei. Er hatte das Papier in einem Metallkasten im Zimmer seines Bruders in der North Bay aufbewahrt. Starr wollte ihr das Blatt, das voll mit seltsamen Symbolen war, nicht zeigen. »Das ist das Werk eines kranken Geistes«, sagte er. »Ich zeige es dir später.« Er tat es jedoch nie. Die Familie machte sich immer größere Sorgen um ihn. Als ihn seine Schwägerin nach dem blutigen Messer fragte, das er am Tag des Verbrechens am Lake Berryessa in seinem Wagen liegen hatte, sagte er: »Das ist Hühnerblut. Mit dem Messer schlachte ich Hühner.«

Sergeant Mulanax verdächtigte Starr bereits eines weiteren scheußlichen Verbrechens; er nahm an, dass der Mann in einer Schule, in der er einmal gearbeitet hatte, ein Kind sexuell missbraucht hatte. Das passte dazu, dass der Zodiac-Killer offensichtlich über die Abfahrtszeiten der Schulbusse und die Ferien der Schulkinder Bescheid wusste.

Menschen wie Starr, die einen unbändigen Hass auf Frauen hegen, können auf der anderen Seite einen beträchtlichen Charme ausstrahlen. Starr sprach nicht selten mit einem spöttischen Unterton und litt oft an starken Kopfschmerzen.

Husted hatte eine Theorie über den Wagen, den Zodiac bei dem Mord in Blue Rock Springs benutzt hatte. Starr war in der Woche vor Darlenes Tod in der Tankstelle gefeuert worden, wo er gearbeitet hatte. Ein Freund von Starr brachte seinen Ford in die Werkstatt bei der Tankstelle, um ihn reparieren zu lassen, und Starr konnte den Wagen benutzt haben, um den Mord zu begehen. Starr hatte mit dem Besitzer des Ford oft über den Tod und über Mord gesprochen. Im August starb Starrs Freund übrigens eines natürlichen Todes.

Anfang 1971 kam Starrs engsten Verwandten - seiner Mutter, seinem Bruder und seiner Schwägerin - aufgrund seines merkwürdigen Verhaltens zum ersten Mal der Verdacht, dass er möglicherweise der Zodiac-Killer sein könnte. Sie berieten sich zunächst mit Starrs Onkel und beschlossen schließlich schweren Herzens, Toschi anzurufen und ihm von ihrer Befürchtung zu erzählen. Mit den Informationen, die Starrs Verwandte ihnen hatten zukommen lassen, begannen Armstrong und Toschi mit den Vorarbeiten, die nötig waren, um einen Durchsuchungsbefehl zu bekommen.

Fred Wisman vom Büro des Staatsanwalts in San Francisco rief beim Bezirksstaatsanwalt von Sonoma County an, der seinerseits Toschi und Armstrong sowie zwei Detectives aus Sonoma für die Hausdurchsuchung auswählte.

»Mein Gott«, dachte Toschi, »Starr lebt die Hälfte der Zeit bei seiner Mutter in Vallejo, er hält sich oft bei seinem Bruder und seiner Schwägerin in San Rafael auf, und er hat auch noch seinen eigenen Wohnwagen bei der Universität. Was sollen wir jetzt durchsuchen?« Die Ermittler entschieden sich schließlich für den Wohnwagen.

Starr arbeitete in einer Chemiefabrik in Petaluma, wo er einen eigenen Spind hatte. Toschi hoffte nur, dass dort drin nicht mögliches Beweismaterial versteckt war.

 

Freitag, 4. Juni 1971

 

Im Police Department San Francisco hoffte man natürlich, kurz vor dem entscheidenden Durchbruch in den Ermittlungen zu stehen. Selbst Toschis Sekretärin, die gerade das Ansuchen um den Durchsuchungsbefehl mit der Maschine tippte, blickte von der Arbeit auf und sagte: »Viel Glück! Ich glaube, ihr habt ihn.«

»Kate«, erwiderte Toschi, »wir werden es zumindest versuchen.«

Das Ansuchen wurde einem Richter vorgelegt, der das vorliegende Material prüfte und schließlich grünes Licht gab. »Ich denke, Sie haben ausreichend Informationen gesammelt, um den Durchsuchungsbefehl zu vollstrecken,« sagte er. »Gentlemen, ich wünsche Ihnen viel Glück.«

In dem Durchsuchungsbefehl war von verschiedenen Beweisstücken die Rede, die man zu finden hoffte, darunter »Fetzen eines blutigen Hemds, eine Wäscheleine, Filzstifte, Brille, eine Hose mit Bügelfalten, einen blauen oder schwarzen Parka, ein Messer mit Scheide und eine schwarze Kapuze.« Sogar die dunklen Sonnenschutzgläser zum Aufstecken, die Bryan Hartnell gesehen hatte, wurden hier erwähnt.

Starrs Verwandte hatten den beiden Kriminalbeamten aus San Francisco mitgeteilt, wo sie den Wohnwagen und den Wagen des Verdächtigen fanden. Sie hatten ihn zwar nie dort besucht, doch sie wussten, dass der Wohnwagen ständig an seinem Platz stand. Toschi ließ sich vom Verwalter des Abstellplatzes zeigen, wo der Student seinen Wohnwagen stehen hatte. Die Ermittler erfuhren, dass der junge Mann erst vor wenigen Minuten weggefahren war. Sie fanden die Wohnwagentür offen stehen und beschlossen, schon einmal einen kurzen Blick hineinzuwerfen, während sie auf Starrs Rückkehr warteten. Bob Dagitz, der Handschriftenexperte, der am Mordfall Stine mitgearbeitet hatte, begleitete Armstrong und Toschi zusammen mit den beiden Sheriff-Stellvertretern.

Die Männer betraten den gelben Wohnwagen. Überall lagen Papiere und allerlei Krimskrams herum. Der Raum war von einem säuerlichen Geruch erfüllt. Toschi rückte Starrs Bett ein Stück von der Wand weg und entdeckte den größten Behälter mit Vaseline, den er je gesehen hatte. Am Boden rollten mehrere schmutzige Dildos unter dem Bett hervor. Sie legten die Dildos wieder zurück und stellten das Bett an seinen Platz. Dann sahen sie sich in der kleinen, ebenso unaufgeräumten Küche um.

»Oh Gott«, stieß Toschi hervor. »Bill, sieh dir das hier an!« Der Detective hatte den Kühlschrank geöffnet und sah darin die kleinen Herzen und anderen Organe von Tieren sowie die verstümmelten Kadaver von Eichhörnchen. »Also, das macht auch nicht jeder - tote Eichhörnchen im Kühlschrank aufzubewahren«, dachte Dagitz. Später erfuhr ich übrigens, dass Starr auf einen Abschluss in Biologie hinarbeitete und deshalb die Erlaubnis erhalten hatte, Experimente mit kleinen Tieren durchzuführen.

Die Ermittler warteten eine Dreiviertelstunde auf Starr. Als sie schließlich sein Auto hörten, eilten sie rasch zur Tür. Der Wagen war schmutzig; auf dem Rücksitz lagen Kleider, Unterlagen, Bücher und irgendwelche alten Examensarbeiten.

Der Student stieg aus und trat zu ihnen an die Tür.

»Was soll das hier?«, fragte er ganz ruhig. Er kannte die Kriminalbeamten bereits, nachdem sie ihn vergangenen Mai einmal an einem seiner Arbeitsplätze besucht hatten. Nach einer zweistündigen Befragung hatten sie ihn schließlich zurückgebracht. Später wurde Starr von seinem Job gefeuert; er meinte, dass der Besuch der Polizisten schuld daran war.

»Wir möchten uns mit Ihnen unterhalten. Wir haben einen Durchsuchungsbefehl für Ihren Wagen, den Wohnwagen und für Sie persönlich. Wir haben Informationen, denen zufolge Sie als Verdächtiger für die Zodiac-Morde infrage kommen«, teilte ihm Armstrong mit.

»Ich dachte, Sie hätten den Kerl schon festgenommen«, sagte Starr. »Ich wohne in Vallejo.«

»Das wissen wir.«

»Na ja, dann sehen Sie sich um«, forderte sie der stämmige junge Mann auf.

Toschi sah, dass der Student eine Zodiac-Armbanduhr trug, eine Taucheruhr, die von der Uhrenfabrik Zodiac hergestellt worden war. Außerdem trug er einen »Z«-Ring. Als Toschi ihn darauf ansprach, teilte ihm Starr mit, dass er den Ring vor vier Jahren von seiner Schwester bekommen habe.

Die Ermittler durchsuchten den Wohnwagen nun eingehend, rückten die Einrichtungsgegenstände zur Seite und sahen auch unter der Bettwäsche nach. Als Toschi das Bett von der Wand wegzog, rollten die Dildos wieder hervor.

»Gehören die Ihnen?«, fragte er.

»Mit denen vertreibe ich mir manchmal die Zeit«, sagte der stämmige Student.

Die Sache schien ihm kein bisschen peinlich zu sein. Je länger die Durchsuchung jedoch dauerte, umso unruhiger schien er zu werden. Die beiden Kriminalbeamten bemerkten sehr wohl, dass Starr über große körperliche Kraft verfügen musste.

»Wir brauchen Ihre Fingerabdrücke«, teilte Toschi ihm mit. »Das muss einfach sein.«

Es war offensichtlich, dass Starr damit nicht einverstanden war. Schließlich bekam Dagitz seine Fingerabdrücke und zog sich in eine Ecke zurück, um sie einem Vergleich zu unterziehen. Auch für Dagitz war Starr ein absolut heißer Verdächtiger, nachdem er gehört hatte, dass sich der Mann gut in der Gegend auskannte, dass er beidhändig war und gut mit Waffen umgehen konnte.

Unterdessen verschafften sich Toschi und Armstrong auch Proben von Starrs Handschrift. Toschi hatte zwei Seiten mit maschinegeschriebenen Sätzen mitgebracht, die ihm Morrill vom CI&I gegeben hatte. Er forderte den Verdächtigen auf, die Sätze abzuschreiben. »Wir möchten, dass Sie mit der rechten und mit der linken Hand schreiben, mit Groß- und Kleinbuchstaben«, sagte Toschi.

Der Detective reichte ihm dazu einen schwarzen Filzstift. Er zeigte auf den Satz: »Bis jetzt habe ich fünf getötet«, und sagte: »Schreiben Sie in Ihrer normalen Handschrift.«

»Ich schreibe nicht links«, erwiderte Starr.

»Ich habe aber gehört, dass Sie recht geschickt mit der linken Hand sind.«

»Wer hat das gesagt?«

»Wir haben uns gut informiert«, entgegnete Toschi. »Wir wissen, was Sie können und was nicht.« Starr war von Natur aus Linkshänder, wurde aber in der Grundschule zum Umlernen gezwungen und schrieb dann später wieder mit der linken Hand. Seine Verwandten und Freunde hatten alle angegeben, dass er mit beiden Händen schreiben und auch schießen konnte. Morrill vermutete, dass die Zodiac-Briefe mit der rechten Hand geschrieben waren.

Der stämmige Mann begann mit der linken Hand zu schreiben und schien dabei einige Mühe zu haben. »Ich kann’s nicht«, protestierte er.

»Machen Sie’s, so gut Sie können. Schreiben Sie in Groß- und Kleinbuchstaben.«

Der Student war nicht erfreut, doch Toschi war fest entschlossen, alles mit ihm zu machen, was nur irgend möglich war.

Toschi bemerkte sehr wohl, dass Starr seine Handschrift veränderte, doch er glaubte dennoch eine gewisse Ähnlichkeit mit der Schrift der Zodiac-Briefe zu erkennen.

»Warum kann ich nicht einfach schreiben, was ich will?«, fragte Starr.

»Weil wir wollen, dass Sie das hier schreiben«, entgegnete Toschi zunehmend ungeduldig. Die Ermittler ließen ihn »yours truly« schreiben und danach auch noch den Satz: »Hier spricht der Zodiac.«

»Was wollen Sie damit sagen? Dass ich Zodiac bin?«

»Nein, aber wir müssen die Handschriften vergleichen. Wenn Sie nicht der sind, den wir suchen, lassen wir Sie in Ruhe, und Sie hören nichts mehr von uns. Aber wir müssen einfach sichergehen«, betonte Toschi.

Der Student war immer noch unwillig, doch er schrieb schließlich den Satz.

Toschi zog ein zweites Blatt mit Zitaten heraus, darunter auch der Satz: »Ihrem Wunsch entsprechend, mehr über die unterhaltsamen Stunden mitzuteilen, die ich in Vallejo schon erlebt habe, schildere ich Ihnen gerne weitere Details.« Als Nächstes kam das Zitat: »Die Leute mit schlaffen Händen und gackerndem Gelächter.« Toschi bemerkte, dass die Zeilen zunehmend nach rechts unten geneigt waren, wie man es auch in den Zodiac-Briefen beobachtet hatte.

Schließlich traten die Ermittler aus dem stickigen Wohnwagen in die kühle abendliche Luft hinaus. Sie machten noch in einem Café Halt, um eine Kleinigkeit zu essen und über die Durchsuchung zu sprechen.

Dagitz war enttäuscht. »Falls die Abdrücke an Paul Stines Taxi von Zodiac stammen«, sagte er, »dann scheidet Starr aus, das steht fest.«

Als sie wieder in San Francisco waren, schickten Armstrong und Toschi Starrs Handschriftenproben an Morrill in Sacramento und gingen dann nach Hause, um auf eine Antwort zu warten. Am nächsten Tag rief Morrill an.

»Tut mir Leid, Dave, keine Übereinstimmung.«

Damals hatte noch niemand geahnt, dass die Buchstaben der Zodiac-Briefe nicht seiner eigenen Handschrift entsprachen. Toschi wusste auch nicht, dass Stress, wie ich später erfuhr, bei einem Sexualsadisten eine drastische Veränderung der Handschrift bewirken kann. Als ich später Proben von Starrs echter Handschrift bekam, wie er sie auf Bewerbungsschreiben verwendet hatte, sah ich, dass sie kleiner und auch sonst ganz anders als die Schrift der Proben war, die er für Armstrong und Toschi angefertigt hatte.

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