Authors: Rainer Maria Rilke
Many no longer see it, yet without the gain
of rebuilding it greater now, with pillars and statues,
within!
Each dull turn of the world leaves such disinherited,
to whom neither the past nor the coming life lends substance.
For to humans even what comes next lies far away.
This ought not baffle us but strengthen our defense
of a still recognized form. âThis once
stood
amidst men,
stood amidst Fate, the destroyer, stood
amidst Not-Knowing-Whither, as if it were alive there,
and arched stars closer from safeguarded heavens.
Angel, now
you
shall see it, tooâ
there!
In your gaze
it stands secured at last, erect for eternity.
Pillars, pylons, the Sphinx, the cathedral's
gray upward striving from a vanishing or alien city.
Miracles! O stand in wonder, Angel, for it was
us,
O great one,
us,
tell the others of these things we added: my breath
is insufficient for such praise. So then we
haven't
failed these generous spacesâ, these spaces
that are
ours.
(How frighteningly vast they must be,
after millennia of our feelings not overflowing.)
But one tower was great, was it not? O Angel, it was,â
even next to you. Chartres was greatâ, and music
rose still higher, soared beyond us. But even
just one woman in love, alone, at night, at her window â¦
didn't she reach your kneeâ?
                                                  Don't think I'm wooing.
Angel, and even if I wereâyou wouldn't come. For my
appeal is always full of “Away!” Against
so strong a current you cannot advance. My call is like
an outstretched arm. And its raised hand, tensed
as for grasping, remains before you
always, defense and warning,
Ungraspable Oneâpalm out, wide open.
DIE ACHTE ELEGIE
Rudolf Kassner zugeeignet
Mit allen Augen sieht die Kreatur
das Offene. Nur unsre Augen sind
wie umgekehrt und ganz um sie gestellt
als Fallen, rings um ihren freien Ausgang.
Was drauÃen
ist,
wir wissens aus des Tiers
Antlitz allein; denn schon das frühe Kind
wenden wir um und zwingens, daà es rückwärts
Gestaltung sehe, nicht das Offne, das
im Tiergesicht so tief ist. Frei von Tod.
Ihn
sehen wir allein; das freie Tier
hat seinen Untergang stets hinter sich
und vor sich Gott, und wenn es geht, so gehts
in Ewigkeit, so wie die Brunnen gehen.
   Â
Wir
haben nie, nicht einen einzigen Tag,
den reinen Raum vor uns, in den die Blumen
unendlich aufgehn. Immer ist es Welt
und niemals Nirgends ohne Nicht: das Reine,
Unüberwachte, das man atmet und
unendlich
weiβ
und nicht begehrt. Als Kind
verliert sich eins im Stilln an dies und wird
gerüttelt. Oder jener stirbt und
ists.
Denn nah am Tod sieht man den Tod nicht mehr
und starrt
hinaus,
vielleicht mit groÃem Tierblick.
Liebende, wäre nicht der andre, der
die Sicht verstellt, sind nah daran und staunen â¦
Wie aus Versehn ist ihnen aufgetan
hinter dem andern ⦠Aber über ihn
kommt keiner fort, und wieder wird ihm Welt.
Der Schöpfung immer zugewendet, sehn
wir nur auf ihr die Spiegelung des Frein,
von uns verdunkelt. Oder daà ein Tier,
ein stummes, aufschaut, ruhig durch uns durch.
Dieses heiÃt Schicksal: gegenüber sein
und nichts als das und immer gegenüber.
Wäre BewuÃtheit unsrer Art in dem
sicheren Tier, das uns entgegenzieht
in anderer Richtungâ, rià es uns herum
mit seinem Wandel. Doch sein Sein ist ihm
unendlich, ungefaÃt und ohne Blick
auf seinen Zustand, rein, so wie sein Ausblick.
Und wo wir Zukunft sehn, dort sieht es Alles
und sich in Allem und geheilt für immer.
Und doch ist in dem wachsam warmen Tier
Gewicht und Sorge einer groÃen Schwermut.
Denn ihm auch haftet immer an, was uns
oft überwältigt,âdie Erinnerung,
als sei schon einmal das, wonach man drängt,
näher gewesen, treuer und sein AnschluÃ
unendlich zärtlich. Hier ist alles Abstand,
und dort wars Atem. Nach der ersten Heimat
ist ihm die zweite zwitterig und windig.
   O Seligkeit der
kleinen
Kreatur,
die immer
bleibt
im SchooÃe, der sie austrug;
o Glück der Mücke, die noch
innen
hüpft,
selbst wenn sie Hochzeit hat: denn Schooà ist Alles.
Und sieh die halbe Sicherheit des Vogels,
der beinah beides weià aus seinem Ursprung,
als wär er eine Seele der Etrusker,
aus einem Toten, den ein Raum empfing,
doch mit der ruhenden Figur als Deckel.
Und wie bestürzt ist eins, das fliegen muÃ
und stammt aus einem SchooÃ. Wie vor sich selbst
erschreckt, durchzuckts die Luft, wie wenn ein Sprung
durch eine Tasse geht. So reiÃt die Spur
der Fledermaus durchs Porzellan des Abends.
Und wir: Zuschauer, immer, überall,
dem allen zugewandt und nie hinaus!
Uns überfüllts. Wir ordnens. Es zerfällt.
Wir ordnens wieder und zerfallen selbst.
Wer hat uns also umgedreht, daà wir,
was wir auch tun, in jener Haltung sind
von einem, welcher fortgeht? Wie er auf
dem letzten Hügel, der ihm ganz sein Tal
noch einmal zeigt, sich wendet, anhält, weiltâ,
so leben wir und nehmen immer Abschied.
THE EIGHTH ELEGY
With all its eyes the animal world
beholds the Open. Only our eyes
are as if inverted and set all around it
like traps at its portals to freedom.
What's outside we only know from the animal's
countenance; for almost from the first we take a child
and twist him round and force him to gaze
backwards and take in structure, not the Open
that lies so deep in an animal's face. Free from death.
Only
we
see death; the free animal has its demise
perpetually behind it and before it always
God, and when it moves, it moves into eternity,
the way brooks and running springs move.
    We, though: never, not for a single day, do we
have that pure space ahead of us into which flowers
endlessly open. What we have is World
and always World and never Nowhere-Without-Not:
that pure unguarded element one breathes
and
knows
endlessly and never craves. As a child
one gets lost there in the quiet, only to be
jostled back. Or someone dying
is
it.
For close to death one sees death no longer
and stares
out
instead, perhaps with the wide gaze of animals.
Lovers (were not the loved one there,
obstructing the view) draw near it and marvel â¦
Beyond the loved one, as if by accident,
the realm is glimpsed ⦠But no one
gets beyond the other, and so World returns again.
Always turned so fervently toward creation,
we see only the reflection of the Open,
which our own presence darkens. Or sometimes
a mute animal looks up and stares straight through us.
That's what destiny is: being opposite
and nothing else but that and always opposite.
If the assured animal that approaches us
on such a different path had in it consciousness
like oursâ, it would wheel us round
and make us change our lives. But its existence
is for it infinite, ungrasped, completely
without reflectionâ, pure, like its outward gaze.
And where we see Future it sees Everything
and itself in Everything and healed forever.
And yet, upon that warm, alert animal
is the weight and care of an enormous sadness.
For what sometimes overwhelms us always
clings to it, tooâa kind of memory that tells us
that what we're now striving for was once
nearer and truer and attached to us
with infinite tenderness. Here all is distance,
there it was breath. After the first home
the second one seems draughty and strangely sexed.
    O bliss of the
tiny
creatures, that live
their whole lives in the womb that brought them forth!
O joy of the gnat, which still leaps
within,
even when it weds: for womb is all!
And look at the half-assurance of the bird,
from the manner of its birth almost knowing both worldsâ
as if it were
the soul of an Etruscan
, released
from a dead man sealed in a space
that has his reclining figure for a lid.
And how confused is any womb-born creature
that has to fly! As if frightened
of its own self, it zigzags through the air
like a crack through a teacup. The way a bat's trace
crazes the porcelain of evening.
And we: Spectators, always, everywhere,
looking at, never out of, everything!
It overfills us. We arrange it. It falls apart.
We rearrange it, and fall apart ourselves.
Who has turned us around like this, so that
always, no matter what we do, we're in the stance
of someone just departing? As he,
on the last hill that shows him all his valley
one last time, turns, stops, lingersâ,
we live our lives, forever taking leave.
DIE NEUNTE ELEGIE
Warum, wenn es angeht, also die Frist des Daseins
hinzubringen, als Lorbeer, ein wenig dunkler als alles
andere Grün, mit kleinen Wellen an jedem
Blattrand (wie eines Windes Lächeln)â: warum dann
Menschliches müssenâund, Schicksal vermeidend,
sich sehnen nach Schicksal?â¦
                                                          Oh,
nicht,
weil Glück
ist,
dieser voreilige Vorteil eines nahen Verlusts.
Nicht aus Neugier, oder zur Ãbung des Herzens,
das auch im Lorbeer
wäre
 . . . . .
Aber weil Hiersein viel ist, und weil uns scheinbar
alles das Hiesige braucht, dieses Schwindende, das
seltsam uns angeht. Uns, die Schwindendsten.
Ein
Mal
jedes, nur
ein
Mal.
Ein
Mal und nichtmehr. Und wir auch
ein
Mal. Nie wieder. Aber dieses
ein
Mal gewesen zu sein, wenn auch nur
ein
Mal:
irdisch
gewesen zu sein, scheint nicht widerrufbar.
Und so drängen wir uns und wollen es leisten,
wollens enthalten in unsern einfachen Händen,
im überfüllteren Blick und im sprachlosen Herzen.
Wollen es werden.âWem es geben? Am liebsten
alles behalten für immer ⦠Ach, in den andern Bezug,
wehe, was nimmt man hinüber? Nicht das Anschaun, das hier
langsam erlernte, und kein hier Ereignetes. Keins.
Also die Schmerzen. Also vor allem das Schwersein,
also der Liebe lange Erfahrung,âalso
lauter Unsägliches. Aber später,
unter den Sternen, was soils:
die
sind
besser
unsäglich.
Bringt doch der Wanderer auch vom Hange des Bergrands
nicht eine Hand voll Erde ins Tal, die Allen unsägliche, sondern
ein erworbenes Wort, reines, den gelben und blaun
Enzian. Sind wir vielleicht
hier,
um zu sagen: Haus,
Brücke, Brunnen, Tor, Krug, Obstbaum, Fenster,â
höchstens: Säule, Turm.⦠aber zu
sagen,
verstehs,
oh zu sagen
so,
wie selber die Dinge niemals
innig meinten zu sein. Ist nicht die heimliche List
dieser verschwiegenen Erde, wenn sie die Liebenden drängt,
daà sich in ihrem Gefühl jedes und jedes entzückt?
Schwelle: was ists für zwei
Liebende, daà sie die eigne ältere Schwelle der Tür
ein wenig verbrauchen, auch sie, nach den vielen vorher
und vor den Künftigen.â¦, leicht.
Hier
ist des
Säglichen
Zeit,
hier
seine Heimat.
Sprich und bekenn. Mehr als je
fallen die Dinge dahin, die erlebbaren, denn,
was sie verdrängend ersetzt, ist ein Tun ohne Bild.
Tun unter Krusten, die willig zerspringen, sobald
innen das Handeln entwächst und sich anders begrenzt.
Zwischen den Hämmern besteht
unser Herz, wie die Zunge
zwischen den Zähnen, die doch,
dennoch, die preisende bleibt.
Preise dem Engel die Welt, nicht die unsägliche,
ihm
kannst du nicht groÃtun mit herrlich Erfühltem; im Weltall,
wo er fühlender fühlt, bist du ein Neuling. Drum zeig
ihm das Einfache, das, von Geschlecht zu Geschlechtern gestaltet,
als ein Unsriges lebt, neben der Hand und im Blick.
Sag ihm die Dinge. Er wird staunender stehn; wie du standest
bei dem Seiler in Rom, oder beim Töpfer am Nil.
Zeig ihm, wie glücklich ein Ding sein kann, wie schuldlos und unser,
wie selbst das klagende Leid rein zur Gestalt sich entschlieÃt,