Meat (41 page)

Read Meat Online

Authors: Joseph D'Lacey

Tags: #Fiction, #Horror, #Thrillers, #Suspense, #Science Fiction, #General, #General Fiction

BOOK: Meat
3.52Mb size Format: txt, pdf, ePub

Als er von Bruno hinwegschnellte, einige zerborstene Betonbrocken übersprang und sich Richtung Stadt davonmachte, stand keiner der Männer auf, um ihm nachzusetzen.

»Verdammte Scheiße«, sagte Bruno.

»Was machen wir jetzt?«, fragte der fette Nachzügler. Bruno blickte auf seine Uhr.

»Wir beenden unsere Rast und gehen dann los, um Collins zu finden.«

»Und was ist mit ihm?«

Shanti war nur noch ein immer kleiner werdender Punkt inmitten der Geröllkulisse.

»Es sind noch ausreichend Leute beim Anwesen. Genug, die sich um ihn kümmern können.«

»Magnus wird rasen vor Wut.«

»Sicher. Aber er wird noch sehr viel wütender sein, wenn wir nicht zu Ende bringen, wofür wir hier raus kamen.« Stöhnend stand Bruno auf. »Los, ihr lahmer Haufen, auf die Beine mit euch. Lasst uns das zu Ende bringen.«

»Und woher sollen wir jetzt wissen, wo wir Collins finden?«

»Ich habe eine Vermutung, wo er stecken könnte. Bloß eine Ahnung, aber mit ein bisschen Glück werden wir ihn dort finden. Am hinteren Ende der Arena, dort wo die Kampfstiere trainiert werden, gibt es eine Bresche in der Wand, die zu einem System von Höhlen und Tunneln führt. Wenn ich richtig liege, und wir weiter, wie Shanti es sagte, in diese Richtung gehen, könnten wir die Stelle finden, wo die Tunnel beginnen. Wenn nicht, dann gehen wir zur Stierkampfarena und probieren es von der anderen Seite aus. So oder so können wir ihn gar nicht verfehlen.«

 

Magnus grunzte, schwitzte und bebte vor frustriertem Be gehren nach ihnen. Bei diesen Kleinen würde er keine Gewalt anwenden. Das wäre zu einfach. Bei Kindern waren Worte seine bevorzugten Waffen. Er saß mit weit geöffnetem Morgenrock auf der hölzernen Truhe am Fußende seines Bettes und entblößte seinen fetten, haarigen Unterleib und die Erektion darunter.

Am Fenster, so weit weg vom Bett wie nur möglich, hielten Hema und Harsha einander an den Händen, ihre kleinen Finger schmerzhaft in die Haut der jeweils anderen verkrallt. Der erste Teil seines Spielchens hatte prächtig funktioniert. Mit Zuckerbrot und Peitsche hatte er sie überzeugt, sich ihrer Kleider und Unterwäsche zu entledigen. Es hatte bloß wenige Minuten gedauert. Jetzt zitterten und jammerten sie, stocksteif vor Angst. Sie glichen in die Ecke getriebenen Beutetieren.

»Brave kleine Mädchen
lieben
Lollis. Seid ihr brave kleine Mädchen?«

Völlig verstört, wie sie waren, nickten sie weder, noch schüttelten sie mit dem Kopf. Bloß der klare Schleim aus ihren geröteten Rotznäschen und ihre Tränen begannen in Sturzbächen zu fließen. Gleitmittel!

Er brannte darauf, dass das Spielchen weiterging.

»Süße, Lolli-liebende, zarte Mädchen. Meine Lolli-leckenden Lieblinge. Sieht das nicht lecker aus?«

Diesmal schüttelten beide Mädchen angeekelt den Kopf. Magnus brüllte vor Lachen.

»Also, wenn das so ist«, sagte er, »dann müsst ihr beide sehr ungezogene Mädchen sein.« Er zündete sich einen Zigarillo an. Er hatte Zeit. »Und ihr wisst doch, was in diesem Haus mit ungezogenen Mädchen passiert?«

Sie waren wie versteinert. Offensichtlich wollten sie es nicht wissen.

Mit Recht. Er kostete jeden Augenblick ihrer Qual aus.

Der Stumpen zuckte zwischen seinen Fingern, aber er bemerkte es nicht einmal mehr. Sein Kopf wackelte hin und her, als wollte er ununterbrochen »Nein« sagen.

Ihre kleinen Bäuche bebten, während sie versuchten, ihr Schluchzen zurückzuhalten. Stoßweise atmend, bissen sie ihre Lippen wund.

»In diesem Haus«, sagte er, »fresse ich die ungezogenen Mädchen auf. Während sie um ihr Leben flehen, schneide ich sie in appetitliche Häppchen, und dann esse ich sie auf. Roh. Portionsweise.« Er tat so, als würde er Fleisch schneiden, es auf die Gabel spießen, ausgiebig kauen und wischte sich dann den Mund mit dem Ärmel ab. »Mmmmh, ausgezeichnet. Leckere, saftige, zarte kleine Mädchen. Mein ... LIEBLINGSESSEN.«

Als er aufschrie, pressten sie sich so fest gegen das Glas des Fensters, dass es in seinen alten Rahmen knirschte. Dann begannen sie, laut und hemmungslos zu schluchzen, und er nutzte die Gunst der Stunde.

»HÖRT GEFÄLLIGST AUF ZU FLENNEN, ALLE BEIDE. Haltet eure frechen kleinen Mäuler, oder ich hacke euch in Stücke und fresse euch auf der Stelle.«

Sie hielten einander den Mund zu, um das Schluchzen zu unterdrücken.

»Also schön, wer will einen Lolli?«

Wie zwei leichenblasse siamesische Zwillinge kamen sie widerstrebend näher. Wie die Kälber.

Er leckte sich die Lippen.

 

Ein glücklicher oder besser ein unglücklicher Zufall führte sie zu der Öffnung, von der Shanti ihnen berichtet hatte. Widerstrebend waren sie weitergezogen, vorbei an den Hochhäusern, weiter hinaus, als jemals einer von ihnen gewesen war. In der Ferne sahen sie die gewaltigen Umrisse in den Himmel ragender Bauwerke. Jeder von ihnen, selbst Bruno, fühlte sich ohnmächtig und klein angesichts der unermesslichen Weite der Ruinenlandschaft. Es war kein Ende abzusehen. Im Vergleich dazu erschien ihnen die hinter ihnen liegende Stadt geradezu winzig.

Sie waren an eine Stelle gekommen, wo das Gelände steil abfiel. Bruno wurde bewusst, dass es, wenn Shanti die Wahrheit gesagt hatte, nicht mehr weit sein konnte. Sie waren entlang des Abhangs ausgeschwärmt und hatten begonnen, vorsichtig über den losen Schutt hinabzusteigen. Obwohl sie höllisch aufpassten, hatten immer wieder Männer den Halt verloren und waren hingefallen. Einer von ihnen war deutlich tiefer gestürzt als der Rest.

Jemand brüllte: »Scheiße!«

Bruno sah sich nach dem Mann um.

»Was ist los?«

»Andrews ist verschwunden.«

Bruno kletterte über den Abhang auf ihn zu. Der hysterische Ausbruch des Mannes hatte ihn verärgert. Er interpretierte ihn als einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Männer nicht nur körperlich, sondern auch nervlich am Rande
ihrer Belastungsfähigkeit waren. Sie waren kaum noch in der Lage zu denken.

»Er ist nicht verschwunden, du Idiot. Er ist vermutlich gestürzt.« Bruno hatte ihn fast erreicht. »Wo hast du ihn zuletzt gesehen?«

»Direkt hier drüben. Er ...«

In diesem Moment sah er die Stelle, die sie suchten. Der Schutt war so einheitlich, dass er die Umrisse vor flüchtigen Blicken verbarg. Selbst wenn er den Grund Meter für Meter abgesucht hätte, wäre es ihm schwergefallen, die Stelle zu entdecken. Da war es: ein großes, schmutziges Loch im Abhang, so groß wie fünf Türöffnungen. Er verlor den Halt und rutschte hinein. Ein Stück rostiger Stahlarmierung rettete ihn davor, es Andrews gleichzutun. Er schnappte danach und zog sich in eine sichere Position.

»Orientiert euch an mir«, rief er. »Und steigt zum Grund des Abhangs hinab. Gleich hier unten gibt es einen Eingang. «

Als die Männer sich in Bewegung setzten, rief er mehrfach nach Andrews. Andrews antwortete nicht. Einen Mann zu verlieren, noch bevor sie überhaupt Feindkontakt hatten, war übel. Doch er war froh, dass sie nicht zur Stierkampfarena gegangen waren, um es von dort zu probieren. Dieser Weg hier würde sie geradewegs zu ihrem Ziel führen.

Er gesellte sich zu seinen Männern am Fuß des Hangs, allesamt von oben bis unten eingestaubt, viele hatten inzwischen zerfetzte Mäntel und Hosen. Das Land wollte sich ihnen nicht ergeben. Vor ihnen lag der Eingang zu den Tunneln. Stufen führten hinab in die Dunkelheit, aber sie kamen nicht unvorbereitet. Einige der Männer trugen Gaslampen. Utensilien, die schon bald der Vergangenheit angehören würden.

Er teilte seine Leute in sieben Gruppen auf. Jeder der
Männer zog eine Machete mit kurzer Klinge aus dem Ärmel. Für den Fall, dass ihnen die Messer im Kampf aus den verschwitzten Handflächen gleiten sollten, waren sie mit Riemen am Handgelenk fixiert. Die Klingen waren etwa dreißig Zentimeter lang und endeten mit einer sauberen, geraden Kante. Dies war die Waffe der Söldner des Fleischbarons, ein Instrument zum Schlitzen, Schneiden und Hacken.

Immer zwei oder drei Gruppen auf einmal verschwanden in der Dunkelheit.

Das Erste, was sie fanden, war Andrews. Seine Augen waren immer noch offen, aber es war kein Wunder, dass er auf Brunos Rufe nicht geantwortet hatte. Er war mit dem Kopf voran gestürzt und auf den Rücken gefallen. Der Aufschlag hatte ihm Nacken und Rückgrat zertrümmert, und er lag mit grotesk abgewinkelten Armen und Beinen da, wie ein weggeworfenes Spielzeug.

»Könnte ihn bitte jemand ordentlich hinlegen?«

Bruno sprach ein paar Worte zu Andrews Gedenken, und dann setzten sie ihren Abstieg fort.

Die unterirdischen Räume waren gigantisch. Die Stierkampfarena war im Vergleich hierzu gar nichts. Ihre Gaslaternen leuchteten die Hallen nicht einmal annähernd aus, die höchsten Gewölbe blieben im Dunkel verborgen. Schließlich fanden sie sich in langen Tunneln wieder, deren Decken sich nur knapp über ihren Köpfen wölbten. Ähnliche Tunnel mit glänzenden Metalltreppen führten sie in steilen Winkeln tiefer unter die Erde.

Bruno spürte, dass einige Männer langsam, aber sicher in Panik gerieten. Er roch ihren Schweiß und den sauren Beigeschmack von Angst. Ohne hinzusehen wusste er, wie sich die Sehnen an ihren Handgelenken spannten, während sie ihre Macheten noch fester umklammerten. Hier unten in
den
Eingeweiden eines fremden Teils von Abyrne war die
Klinge alles, was ihnen blieb, um Trost und Kraft zu schöpfen. Er wusste es, denn auch seine Hand krallte sich an die Machete, als wäre sie sein allerletzter Halt.

Die Luft war abgestanden, aber nicht so still, wie sie sein sollte. Jemand war vor ihnen hier unten gewesen ― oder war immer noch hier. Die Luft war irgendwie aufgewühlt, Staubteilchen flogen umher. Was unberührt sein sollte, war in Bewegung.

Als sie zur dritten Ebene herabstiegen, und einige Männer eindeutig ihre Grenzen erreichten, entdeckte Bruno erste Hinweise darauf, dass diese Gewölbe bewohnt waren: zu Sitzkissen und Betten umfunktionierte Laken, mit Holzkohle auf die Wände gemalte Symbole, Fußabdrücke im Staub. Jetzt, wo sie kurz vor dem Ziel waren, wollte er den Männern neue Anweisungen geben. Ihnen zumindest Mut zusprechen. Sie überzeugen, dass sie sich zusammenrissen. Denn sie würden ihren Mann ja jeden Moment in die Finger bekommen. Doch er wagte es nicht, seine Stimme zu erheben: Je weniger sie riskierten, bemerkt zu werden, desto besser.

Wie lange hatten Collins und seine Leute hier unten schon gehaust? Was hatten sie gegessen und wie hatten sie überlebt? Es gab keine anderen Anzeichen ihrer Präsenz als Kohlezeichnungen und improvisierte Lager.

Sie fanden bloß eine einzige Gaslaterne. Sie befand sich in einer Kammer am Ende einer Sackgasse, in der zahllose zu Kissen gefaltete Laken zu Sitzreihen arrangiert worden waren. Auf einem freien Platz, am hinteren Ende, lag ein einzelnes Kissen. Ein Priester und seine Jünger. Hier hatten sie also gesteckt. Dieser Ort war Collins' Versteck.

Nervös drehte Bruno, in Erwartung eines Angriffs aus dem Hinterhalt, dem kapellenähnlichen Raum den Rücken zu. Nichts geschah. Sie waren alleine hier unten.

»Wir haben ihn verpasst«, sagte er zu den sich im Halbdunkel um ihn scharenden Gestalten. »Zeit hier zu verschwinden und uns anderswo umzusehen.«

Er spürte, wie eine Welle der Erleichterung durch die Gruppe ging. Keiner von ihnen wollte hier unten kämpfen und es riskieren, in der Dunkelheit zu sterben. Gebückt und mit eingezogenen Köpfen folgten sie ihm, gleich einem fußlahmen Schwarm Krähen, zurück ins Licht.

 

Sie standen ihm gegenüber, zögernd, ihre Gesichter das personifizierte Elend.

Feist und ungeniert reckte sein Schwanz sich ihnen entgegen. Eine silbrige Perle erschien auf seiner Spitze, und sie wichen einen Schritt zurück.

»Süßer Lollisaft, extra für kleine Mädchen.«

Sie waren so gut wie sein. Sie standen am Beginn einer Reise, auf der er ihr Führer und Peiniger sein würde. Sie würden seine Lieblingsdienstmädchen werden. Er war sicher, dass er ihrer so schnell nicht überdrüssig werden würde. Sie würden für sehr, sehr lange Zeit für ihn da sein. Er würde sie erziehen, sie formen, sie seinem Willen unterwerfen.

Hema streckte ihre Hand aus, und er lächelte. Sein Herzschlag setzte für einen köstlichen Augenblick aus.

Draußen erklang Lärm: Fußtritte in der Halle im Erdgeschoss und Getrampel auf den Stufen. Er hörte das Gebrüll von Männern, dann Kampfeslärm. Jemand fiel schreiend die Treppe herunter. Der Schrei brach ab. Der Kampf ging weiter, und die Stimmen kamen näher. Er erkannte die Stimme eines seiner Männer sowie eine, die er eigentlich hier im Hause nicht hören sollte.

»Scheiße noch mal, jetzt reicht's mir aber«, sagte er und stand auf.

Die Mädchen flüchteten zurück zum Fenster.

Er wickelte sich so gut er konnte in seinen Morgenrock und ging zur Tür. Dann drehte er sich herum und zeigte mit einem fetten Finger auf die Zwillinge.

»Ihr zwei bleibt, wo ihr seid, oder ich werde euch die Augenhöhlen auslöffeln. Verstanden?«

Sie sagten nichts. Sie standen bloß da und zitterten. Eine von ihnen nässte sich ein. Wer immer ihm sein kleines Vergnügen verdorben hatte, würde teuer dafür bezahlen müssen. Er riss die Türe auf und trat auf den oberen Korridor hinaus.

»Was geht verdammt noch mal hier vor? Ich will gefälligst meine Ruhe ...« Er sah, wer es war. »Was willst du schon wieder hier, du Kretin?«

Am Kopf der Treppe rang Richard Shanti mit zwei von Magnus' Leuten. Es gelang ihnen nicht, ihn zu überwältigen. Statt mit ihnen zu kämpfen, zerrte er sie den Flur entlang. Am Fuß der Treppe lag bewegungslos eine dritte Wache.

Im Angesicht der Schwierigkeiten, die seine Leute damit hatten, sich dem Eindringling zu widersetzen, schritt Magnus durch die Diele zurück zum Arbeitszimmer und verschwand darin. Als er zurückkehrte, baumelte etwas in seiner rechten Hand, und er ging geradewegs auf das Gerangel zu. Sich drehend und wendend, stieß Shanti mit den Ellbogen und den Knien um sich. Obwohl er neben den beiden Wachen nahezu winzig wirkte, hatte er einem von ihnen bereits die Nase gebrochen und sich aus ihrer Umklammerung so gut wie befreit. Als er Magnus sah, bekam er einen neuen Energieschub. Rasend vor Wut durchbrach er den Griff einer der Wachen und hechtete auf ihn zu. Magnus hob die rechte Hand und schlug einmal kurz und hart zu. Es gab ein dumpfes Krachen, und Shanti stürzte. Die Wache ließ ihn aufs Gesicht fallen.

Other books

Safekeeping by Jessamyn Hope
Enchanted Ecstasy by Constance O'Banyon
Silent Exit by Julie Rollins
Lord of Lies by David Zindell
Crave by Murphy, Monica