Meat (43 page)

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Authors: Joseph D'Lacey

Tags: #Fiction, #Horror, #Thrillers, #Suspense, #Science Fiction, #General, #General Fiction

BOOK: Meat
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Natürlich würde ihn Magnus, wenn er wüsste, dass Shanti nicht mehr essen musste, um am Leben zu bleiben, in diesem stinkenden Loch verrotten lassen, bis er dem Wahnsinn anheimfiel.

Nein.

Er musste überleben und, um das zu können, musste er bei klarem Verstand bleiben. Er musste sich vorbereiten.

Zuerst überprüfte er, wo er überall Verletzungen davongetragen hatte. Seine Nase war gebrochen ― er war sich ziemlich sicher, dass sie nicht so beweglich sein sollte. Einige Schneidezähne wackelten. Sein Rippen schmerzten auf beiden Seiten und erinnerte sich, wie Magnus' Männer auf ihn eingetreten hatten, als er nach dem Schlag kurzfristig das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Seine Beine schienen in Ordnung zu sein, aber seine Hände und Ellbogen waren von blutenden Fleischwunden übersät, die er den Zähnen einer Wache zu verdanken hatte. Am Hinterkopf spürte er eine große, weiche Schwellung, die ihm ― mehr, als jede andere Verletzung ― ernsthafte Sorgen bereitete. Wenn er sie berührte, schien sein gesamter Kopf platzen zu wollen. Er
hatte keine Ahnung, mit was die Geschwulst gefüllt war. Er befürchtete, dass Magnus' Hieb seinen Schädel zertrümmert hatte und dass es sein Hirn war, welches er unter der Haut ertastete. Sollte dies der Fall sein, darüber war er sich im Klaren, konnte er jeden Moment sterben. Und wenn nicht, wenn er es tatsächlich aus dieser Kiste heraus schaffen sollte, würde er womöglich noch gerade so lange leben, bis er sich aufgerichtet hatte.

Die Eingebung, zu versuchen, sich selbst zu heilen, war bloßer Instinkt. Oder war es doch etwas anders? Er verspürte einen leichten Druck im Unterleib, ziemlich genau im Zentrum seines Körpers. Er wusste, was das bedeutete. Und er würde versuchen, bereit zu sein, für das, was kommen würde.

Im stinkenden Dreck von Magnus' Zelle auf dem Rücken liegend, komprimierte Shanti die Lichtreserven in seinem Abdomen und schickte sie hinauf in seinen Kopf, in der verzweifelten Hoffnung, dass die heilenden Kräfte des Lichts, seinen gebrochenen Schädel wieder verschließen würden.

 

Bruno führte seine erschöpfte Truppe die lange Auffahrt hinauf, betend ― ja, betend ―, dass sie noch rechtzeitig kämen.

Als sie um die letzte Biegung kamen, sah er, was er so sehr gehofft hatte, nicht sehen zu müssen. Collins' verwahrloste Anhänger hatten sich in Zweier- und Dreier-Grüppchen um das Haus verteilt. Sie waren in Lumpen gekleidet, die aussahen, als hätten sie seit Dekaden nichts anderes getragen: Ausgeblichen, zerrissen, manchmal geflickt, meistens nicht. Sie waren weiter nichts als armselige Landstreicher. Heruntergekommene Gammler, die sich viel zu lange der Aufmerksamkeit der Stadt entzogen hatten. Er hätte sie ausgelacht, wenn ihn nicht drei Umstände daran gehindert hätten.

Er war so kurzatmig, dass er nicht einen Ton herausbekam.

Er hatte gesehen, was sie mit den Pastoren getan hatten. Und jeder einzelne Mann, den er zum Schutz des Anwesens zurückgelassen hatte, war gefallen.

Als er um diese letzte Kurve der Zufahrt kam, hatten Collins' Anhänger das Getrampel von siebzig sich nähernden Männern in genagelten Stiefeln längst gehört und erwarteten sie. Ganz gleich, was jetzt geschehen würde, Bruno und seinen Leute blieb keine Wahl. Jeglicher Befehl erübrigte sich, jeder der Männer konnte den Feind sehen, dem sie zumindest zahlenmäßig um das Doppelte überlegen waren. Bruno ließ die Machete in seine rechte Hand gleiten und reckte sie in die Höhe. Mit der letzten Luft, die sie noch in ihren Lungen hatten, stießen Magnus' Söldner ihren Kriegsschrei aus und stürzten sich auf die Gefolgsleute des Propheten.

 

Als das Knurren aufhörte, erstarrten sie und gruben sich gegenseitig die Finger noch tiefer in die Haut. Voller Angst bissen sie sich auf die Lippen. Sie hörten ein Grunzen und spürten, dass sich etwas bewegte. Schwere Schritte passierten ihr Versteck und stoppten unweit von ihnen. Im Hintergrund vernahmen sie gedämpftes Geschrei: Männer, die aufeinander losgingen und sich gegenseitig beschimpften. Dann erklang ein Geräusch, als würde ihre Mutter in der Küche eine schwere Besteckschublade aufziehen und das ferne Gebrüll wurde sehr viel lauter.

Sie hörten die Stimme, hörten diese schreckliche Stimme, hörten sie schmeicheln, anfeuern und kommandieren. Die Stimme dieses Mannes, der so sehr versucht hatte, ihnen wehzutun. In der Dunkelheit fragten sie sich, was sie als Nächstes tun sollten. War es an der Zeit, wegzurennen? Würde er sie hören oder sehen?

»Was machen wir jetzt?«, fragte Harsha so leise sie konnte.

»Ich weiß es nicht.«

»Vielleicht sollten wir mal nachgucken?«

Harsha begann, sich gegen den Deckel ihres Verstecks zu stemmen. Aber Hema ergriff ihren Arm.

»Keine Angst«, sagte Harsha. »Wir schauen nur mal nach. Wir müssen ja noch nicht wegrennen.«

So leise sie konnten, drehten und wandten sie sich in der Kiste, bis sie schließlich beide über ihren Rand spähen konnten.

Als sie den haarigen Mann, nackt und brüllend, mit dem Rücken zu ihnen am Fenster stehen sahen, blickten sie einander an. Worte waren überflüssig. Dies war ihre Chance zur Flucht. Leise und vorsichtig wie Schlangen kletterten sie aus der Truhe heraus, aber Harsha, die annahm, Hema würde den Deckel halten, ließ ihn los. Mit einem lauten Scheppern schlug er zu. Der haarige Mann schreckte auf und drehte sich herum.

Sie wechselten einen Blick, und beide erinnerten sich an den Mut der zwei Brüder in der Geschichte, die ihr Vater ihnen erzählt hatte. Statt wegzulaufen, rannten sie auf den haarigen Mann zu. Rannten so schnell sie konnten mit weit nach vorne gestreckten Armen, die Handflächen zum Stoß bereit.

 

Magnus erwachte vom Kampfgeschrei und dem Lärm auf dem Schotter stampfender Stiefel.

Er grunzte und versuchte, sich aus dem Bett zu hieven. Selbst einfache Bewegungen fielen ihm zunehmend schwerer. Schließlich gelang es ihm, seinen massigen Leib aufzurichten und die Beine über die Seite des Bettes zu schwingen. Draußen toste ein infernalischer Lärm. Körper und
Klingen krachten in den mit stählernen Spikes bewehrten Zaun, der das Hauptgebäude umgab. Direkt unter seinem eigenen Schlafzimmerfenster konnte er die Männer fluchen und brüllen hören, wenn sie getroffen wurden und der Schmerz aufflammte.

Er hörte Schreie der Enttäuschung und des Entsetzens.

Er stemmte sich auf die Beine und taumelte. Mit einer Hand griff er nach einem der vier Bettpfosten, um sich abzustützen. Der Schwindel ging so weit zurück, dass er sich imstande sah, zu laufen. Auf unsicheren Beinen und mit wackeligen Knien schlurfte er zum großen Fenster.

Draußen stürmten seine Männer gegen den Feind an, wie die Brandung gegen die Felsen. Er verspürte einen kurzen Anflug von Stolz. Dies waren seine besten Leute, und sie kämpften für Magnus und alles, wofür er stand. Der Stolz verflüchtigte sich so schnell, wie er gekommen war, als er den Ernst der Lage begriff.

Seine Männer waren müde. Ihre Ausfälle und Attacken hatten keinen Biss mehr. Sie bewegten sich schwerfällig. Je mehr sie sich bemühten, desto langsamer wurden sie. In weitem Bogen geschwungene Macheten verfehlten ihre Ziele nicht um Haares- sondern um Handbreite. Schläge gingen daneben oder erwiesen sich als wirkungslos. Tritten wurde mühelos ausgewichen. Seine Wachen waren ihren Gegnern zahlenmäßig weit überlegen, aber bereits jetzt ging eine nach der anderen zu Boden. Gefällt von Hieben, die so schnell waren, dass man glaubte, man bildete sie sich nur ein ― wäre da nicht ihre fatale Wirkung gewesen.

Und dieser Feind! Sie sahen so dürr und ramponiert aus, dass sie Bettler von der Straße hätten sein können. Aber sie verhielten sich keineswegs wie arme Teufel. Er hatte diese Art, sich zu bewegen, schon einmal gesehen, und er wusste, was es bedeutete. Dies waren Collins' Anhänger,
seine Kämpfer. Sie waren schnell. Und sie wichen nicht einen Zentimeter zurück. Während er sie beobachtete, fielen immer mehr Männer unter den Streichen ihrer Hände. Sie bewegten sich leicht wie Vögel in den Reihen ihrer Feinde. Inzwischen waren die Chancen nahezu ausgeglichen.

Er musste etwas tun. Mit seinem Gewicht kämpfend, schob Magnus das Fenster hoch. Seine Männer benötigten Zuspruch. Sie brauchten Führung, und er sah einen Weg, wie er ihnen helfen konnte, ihre Trefferquote zu erhöhen ― wenn er nur mit ihnen reden konnte. Als das Fenster offen war, blockierte er es mit einem Holzkeil und lehnte sich heraus.

»Bruno, denk an das Timing! Es ist alles eine Frage des Rhythmuswechsels.«

Er sah, dass Bruno ihn gehört hatte, aber sein Kapo wagte es nicht, den Blick von seinem Gegner abzuwenden. Er beobachtete, wie Bruno aus der Reihe ausbrach und sich dann mit einem leichten linken Stoß auf ihn stürzte. Der Mann, mit dem er kämpfte, schluckte den Köder und blockte, aber Bruno schwang bereits seine Machete. Trotz des Vorsprungs und obwohl der Mann aus dem Gleichgewicht kam, erwischte die Klinge ihn nur an der Wange und nicht, wie Bruno gehofft hatte, am Hals. Die Machete riss das Gesicht des Mannes bis zum Unterkiefer auf. Kurz blitzte der weiße Knochen auf, bevor das Blut zu fließen begann.

Ungeachtet seiner Verletzung und sofort wieder zur Attacke übergehend, schlug Brunos Gegner so schnell zurück, dass Magnus sich nicht einmal sicher war, ob er überhaupt gesehen hatte, wie seine Hiebe Bruno trafen. Bis Bruno zurücktaumelte ― seinen Mund zu einer scharlachroten Grimasse verzogen.

»Hör nicht auf!«, brüllte Magnus. »Übernimm die Initiative.«

Der Mann setzte Bruno nicht nach, sondern wartete, bis der sich wieder gesammelt hatte. Brunos Stolz war schlimmer verletzt als sein Gesicht. Er schien nicht zu realisieren, dass ihm gerade eine Chance gegeben wurde, sondern ging auf ihn los, als wolle er ein ungezogenes Kind züchtigen. Überall auf dem Schotter der Zufahrt zogen Männer in schwarzen Mänteln zerknirschte Gesichter: Auf ihren Macheten war noch kein Spritzer Blut.

»Verdammte Schwachköpfe«, murrte Magnus. Er begann, sich ernsthaft Sorgen zu machen. Was, wenn es ihnen gelang ins Haus einzudringen? Wie viele Männer standen ihm hier drinnen noch zur Seite?

Hinter sich hörte er ein Geräusch, als würde eine schwere hölzerne Tür zuschlagen und dann das Trappeln von Füßen auf dem Teppich. Er drehte sich herum, um sich dem Eindringling entgegenzustellen, hatte das Manöver aber noch nicht beendet, als er spürte, wie kleine Hände ihn zurückstießen.

Während er das Gleichgewicht verlor, hörte er Gekicher. Dann fiel er.

 

25

 

Collins war kein geübter Kämpfer, aber das war auch gar nicht nötig. Durch eine Art Puls, der sie untereinander verband, waren ihre Bewegungen koordiniert. Sie kämpften, als wären sie ein einziges Wesen: Jeder Körperteil kommunizierte mit dem anderen. Der Puls hatte einen Rhythmus, und meistens verhielt sich dieser Rhythmus, nach welchem sie sich bewegten, nicht synchron zu den Bewegungen ihres jeweiligen Gegners. Was dazu führte, dass ihre Feinde verletzt wurden ― und sie nicht. Es war wie ein Tanz. Nur die schlechten Tänzer wurden niedergestreckt.

Er empfand nichts für den Feind. Weder Mitleid noch Respekt. Diese Leute, die sich ihnen entgegenstellten, hatten nichts Menschliches mehr in sich.

Als Rory Magnus aus dem Fenster im zweiten Stock des Anwesens fiel, erfasste Collins die Bewegung als ein Schimmern auf einer Seite seines Körpers, als eine Art periphere Vision seiner Haut. Er kämpfte weiter, aber seine schwarz gewandeten Gegner waren plötzlich abgelenkt, und bereits Augenblicke später hatte sie jeglicher Kampfgeist verlassen. Ihr Anführer hing an den Beinen aufgespießt auf den spitzen Gitterstäben des Zauns, der das Anwesen umgab. Eine seiner Schutzmaßnahmen, die sich nun gegen ihn gewendet hatte. Während Magnus' Männer sich zum Haus zurückzogen und der Kampf zum Erliegen kam, überblickte Collins die Szenerie.

Vierzig Männer lagen tot oder bewusstlos im Schotter
der Auffahrt. Nicht einer der Gefallenen gehörte zu seinen Leuten. Die einzigen Laute, die die angespannte Stille noch durchbrachen, unterstrichen unzweifelhaft, dass der Kampf ein für alle Mal ein Ende gefunden hatte: Es waren die gellenden Schmerzensschreie des Fleischbarons.

Hätte sein Sturz nur ein wenig weiter vom Anwesen entfernt geendet, wäre er vermutlich mit dem Kopf aufgeschlagen und auf der Stelle tot gewesen. So aber erwischten ihn die verrosteten Stahlspitzen der Zaunpfosten genau oberhalb seiner Knie. Eine Querverstrebung, etwa einen Fuß unterhalb davon, hatte verhindert, dass er daran bis auf den Boden hinunterrutschte. Er war ein schwergewichtiger Mann, und die Spitzen hatten seine Beine nicht einfach bloß durchbohrt: Aufgrund des Vorwärtsdralls seines Sturzes hatten sie das Fleisch von der Mitte der Schenkel bis zu den Kniescheiben aufgerissen, bevor sie in den Kniekehlen wieder austraten. Aus den Wunden ragten zwei rot schimmernde Zinken heraus. Beide Kniescheiben waren aus den Gelenken gerissen und bis zu den Schienenbeinen hinaufgeschoben worden, ihr Fleisch heruntergeschabt bis auf den blanken Knochen. Sein volles Gewicht lastete auf seinen verdrehten Knien.

Während Collins ihn musterte, bohrten sich körperliche Qualen und der Schmerz der Erkenntnis ― gleich einer nicht enden wollenden Welle von Pfeilhageln ― Salve für Salve in Magnus' krankes Hirn. Seine Stimme war kaum noch als menschlich zu beschreiben, als er darum flehte, ihn zu befreien. Collins sah, wie der Schwall des Blutes, das zum Kopf des riesigen Mannes herabströmte, mit jedem ausgestoßenen Schrei heftiger pulsierte, wie seine fetten Wangen und die Adern an seinem Hals unter dem Druck beinahe zu platzen schienen.

Bruno näherte sich zögernd seinem Boss, und einige wei
tere Wachen machten Anstalten, ihm zu folgen. Collins hob eine Hand. Die Geste reichte aus, ihnen Einhalt zu gebieten. Derweil versuchte Magnus verzweifelt, sich zu befreien. Alles, was er tun konnte, war, sich gegen die unteren Enden der Pfosten zu stützen. In der Hoffnung, dass es ihm gelingen würde, den eigenen Körper hochzustemmen und ausreichend Spielraum zu gewinnen, seine Beine über die spitzen Pfosten zu hieven. Aber die rostigen Eisenstangen waren so nass und rutschig von seinem Blut, dass seine Hände immer wieder abglitten und mit jedem neuen Versuch riss sein Gewicht die Wunden weiter auf. Es war mehr als deutlich erkennbar, dass er, schwach und fett wie er war, niemals Erfolg damit haben würde. Aber, dachte Collins,
man weiß ja nie, Menschen können außergewöhnliche Kräfte entwickeln, wenn es um ihr Überleben geht.

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