Hard Man

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Authors: Allan Guthrie

BOOK: Hard Man
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Allan Guthrie

 

Hard Man

 

Aus dem Englischen von Gerold Hens

 

Rotbuch Verlag

A HISTORY OF VIOLENCE

 

Wieder ein heißer Julitag. Der vierte in Folge. Nicht schlecht für Schottland.

Weniger gut für die Leiche im Kofferraum.

Jacob Baxter legte sich die Hand über Nase und Mund, um den Gestank zu dämpfen. Für einen Moment vergaß er dabei, dass seine Nase gebrochen war. Er schnappte nach Luft vor Schmerz. Zeit, noch ein paar Paracetamol zu nehmen, aber ohne ein Glas Wasser kriegte er die Pillen nicht runter. Er musste wohl warten, bis er wieder zu Hause war. Keine Ahnung, wieso der Arzt sich geweigert hatte, ihm was Stärkeres zu geben. Doch der Doc hatte Jacob nur gesagt, er solle wiederkommen, wenn die Schwellung zurückgegangen sei, erst dann könne er - wie hatte er es formuliert? - das Ausmaß des Schadens abschätzen. Er versicherte Jacob, dass die Nase nicht gebrochen war, aber überzeugt war Jacob nicht. Er hatte kein allzu großes Vertrauen in die ärztliche Kunst.

Er wandte den Blick von der Leiche. Seine beiden Söhne starrten weiter hin, als Jacob zu reden anfing. »Wir müssen Wallace aufhalten«, sagte er, »bevor May noch etwas passiert.«

»Versuchen wir’s eben ein zweites Mal«, sagte Flash.

»Ja, genau«, sagte Jacob.

Vorgestern Abend, auch wenn es viel länger her zu sein schien, waren sie zu dritt nach Trinity gefahren, wo Wallace allein eine winzige Zwei-Zimmer-Maisonettewohnung bewohnte, in der er nur wenige Monate mit May zusammengelebt hatte. Jacob war aufgefallen, dass Wallace das Fenster im Erdgeschoss kürzlich mit Brettern verbarrikadiert hatte, und fragte sich, ob ihm zu Ohren gekommen war, dass sie ihm einen Besuch abstatten würden. Hätte eine clevere Vorsichtsmaßnahme sein können, da sich die Fenster auf Straßenhöhe befanden und leicht einzutreten waren, auch wenn es nicht die Scheiben waren, die sie einschlagen wollten. Außerdem konnte Wallace unmöglich wissen, dass sie kamen. Sie hatten sich ja nicht grade telefonisch angekündigt. Nein, wahrscheinlich waren die Fenster schon vorher eingeschlagen worden. Von jemand anderem, den Wallace provoziert oder bedroht oder verdroschen hatte. Jede Menge Kandidaten. Oder vielleicht war es einfach eine Horde besoffener Idioten am Wochenende gewesen. Das Viertel hier war zwar eine schicke Wohngegend, aber von Wardie gleich nebenan konnte man das nicht behaupten.

Jacob hatte seine Söhne angeschaut, genickt und dann geklingelt. Er schlug sich wiederholt mit einem Schraubenschlüssel in die geöffnete Hand, während er darauf wartete, dass jemand an der Tür erschien. Es konnte losgehen. Sie waren bestens gerüstet, mit Wallace würden sie spielend fertig werden, gar kein Problem, Ruf hin oder her. Er war nur einer gegen drei, und diese drei waren Baxters. Zugegeben, Jacob selbst stellte keine riesengroße Bedrohung dar, denn, nun ja, er war Sechsundsechzig und lange nicht mehr so flink wie früher. Flash war, ehrlich gesagt, noch weniger bedrohlich: klein, dürr - Jacob wollte seinem Jüngeren nicht zu nahe treten, aber das Wort, nach dem er suchte, war >mickrig<. Mit Rog allerdings war das was anderes. Kaum zu glauben, dass die beiden Jungs die gleichen Eltern hatten. Rog, ein schwerer Bursche von fast hundertdreißig Kilo, hielt stolz den Hammer in der massigen Faust, und Jacob fühlte sich ganz schön sicher neben ihm. Rog war Rausschmeißer. Er war solche Sachen gewohnt. Und der Anzug, den Rog nie ablegte, verstärkte den Gesamteindruck. Jawoll, mit Rog war nicht gut Kirschen essen, und das in mehr als einer Hinsicht.

Jacob war sich sicher, dass Wallace vor ihrer geballten Kraft zu Kreuze kriechen würde. Als Wallace die Tür aufmachte mit seinem frisch gewaschenen, unschuldigen Babyface, zeigte Jacob daher selbstsicher mit dem Schraubenschlüssel auf ihn und sagte: »Lass die Finger von May. Lass meine Familie in Ruhe.«

Wallace nahm seine Brille ab und steckte sie in die Hemdtasche. Er sah gleich viel eher nach sechsundzwanzig aus. »May ist meine Frau.«

Richtig, aber sie war nur eine arme, kleine, fehlgeleitete störrische Göre. »Sie ist erst sechzehn«, sagte Jacob.

»Fickt aber, als war sie doppelt so alt«, sagte Wallace. »Muss dran liegen, dass sie so viel Übung hat.«

Das wäre nicht nötig gewesen. Das Blut pochte in Jacobs Schläfen. Mit diesem Tier war nicht zu reden. Wallace verstand nur
eine
Sprache. Jacob zog die Hand zurück und holte mit dem Schraubenschlüssel aus.

Und schlug daneben. Nein, noch schlimmer. Er schlug daneben und ließ sich schnappen. Wallace hatte sein Handgelenk gepackt und verdrehte es. Jacob konnte den Schraubenschlüssel nicht mehr halten. Mit einem Aufschrei ließ er los, besaß jedoch die Geistesgegenwart, Wallace mit der freien Hand einen Schlag zu versetzen. Auf einen alten Mann losgehen, was? Jacob traf nichts als Luft. Noch mal.

Es war kaum zu fassen, aber Jacob ging die Puste aus, er spürte, wie ihm die Brust eng wurde.

Was zum Teufel machten eigentlich seine Söhne? Die hätten doch längst eingreifen müssen. Wallace zu Boden schlagen, ihn zusammentreten müssen.

Jacob drehte sich um, als er merkte, dass seine Hand frei war, und sah Wallace vor Rog stehen. Jetzt würde Wallace nicht mehr so forsch sein. Bei einem, der eher in seinem Alter war. Der größer war als er. Jawoll, einer, der ihm nacheinander Arme und Beine ausreißen würde. Einer, der ihn lehren würde, sich nicht mit den Baxters anzulegen.

Aber nein. Jacob richtete sich auf und sah, dass Wallace lächelte. Rog hatte seinen Hammer erhoben und lächelte nicht zurück. Wallace hielt den Schraubenschlüssel, den er Jacob abgenommen hatte. Immer noch lächelnd, ließ er ihn fallen. Absichtlich. Er fiel mit einem dumpfen Knall auf die Erde. Rog öffnete und schloss den Mund, doch es kamen keine Worte heraus.

»Na, denn mal los«, sagte Wallace. »Mal sehen, was du draufhast, Fettsack.«

Rog schaute zu Flash hinüber. Ein Fehler. Jacob sah es kommen und stieß einen Schrei aus, aber zu spät. Ehe irgendjemand reagieren konnte, hatte Wallace blitzschnell nach dem großen Burschen ausgeholt, ihm mindestens zwei Magenschwinger verpasst, sodass er in die Knie ging, sich den Hammer geschnappt und ihn seinem kleineren Bruder in den Bauch gedonnert.

Rog und Flash schauten sich, nach Luft ringend, an.

Jacobs Blick ging wieder zu Wallace. Was war da gerade passiert?

»Ich hab euch gesagt, dass ihr euch um euren eigenen Dreck kümmern sollt«, sagte Wallace. Mit einem Tritt ins Gesicht schickte er Flash zu Boden. »Ihr hättet besser auf mich gehört.« Sprach’s und rammte Rog die Faust in die Kauleiste, dass das Blut auf die Erde spritzte. Rog fiel allerdings nicht um. Er kniete da wie ein Baumstumpf. »Okay«, sagte Jacob. »Das reicht.«

»Find ich nicht«, sagte Wallace, und Jacobs Nase explodierte vor Schmerz. »Dad.«

Jacob schoss das Wasser in die Augen. Durch die Tränen sah er, wie Wallace sein Handy aus der Tasche zog.

Bevor er wählte, packte er Jacob an den Haaren und beugte sich vor. Obwohl das Blut aus Jacobs linkem Nasenloch zu rinnen begann, konnte er den Schweiß von Wallace riechen. Oder vielleicht war es auch sein eigener. »Ich wird dafür sorgen, dass deine kranke Familie sich wünscht, es hätte sie nie gegeben.«

Krank? Jacobs Familie? Jacob hätte gelacht, wenn ihm die Nase nicht so wehgetan hätte.

Wallace ließ Jacob los und sprach ins Handy. »Polizei. Ja. Ich möchte einen Überfall melden. Ich bin gerade angegriffen worden. Hä? Vor meinem eigenen Haus, nicht zu fassen.«

Die drei hatten die Nacht in der Zelle verbracht. Was für eine Schande. Zum ersten Mal in Jacobs langem Leben.

Ein Riss direkt über Rogs Oberlippe musste mit ein paar Stichen genäht werden. Die Fäden sollten nächste Woche gezogen werden. Flash kam mit ein paar blauen Flecken und einem schmerzenden Kinn davon.

Wallace war nicht mal ins Schwitzen geraten. Das hatte an dem ganzen Jiu-Jitsu-Training gelegen, vor dem May sie gewarnt hatte. Sie hätten auf sie hören sollen, aber wenn man sauer ist, hört man nun mal nicht zu, oder?

Na schön. Da standen sie nun also und fragten sich, was sie jetzt machen sollten.

»Der ist
loco.«
Flash knallte den Kofferraum zu, aus dem es so stank. »Diesmal ist er zu weit gegangen.«

Rog zupfte an einem Fussel auf seinem Anzug. »Und was machen wir jetzt?«

»Ich will gar nicht dran denken, wo das alles hinführen kann«, sagte Jacob.

»Wir müssen aber«, sagte Flash. »Das ist ‘ne echte Scheißsituation.«

»Ich frag mich«, sagte Jacob, »was er als Nächstes machen wird. Er hat die Familie bedroht.«

»Solange May in Sicherheit ist«, sagte Flash, »ist mir das egal.«

»Aber ist sie auch in Sicherheit?«, sagte Jacob. »Woher wollen wir wissen, dass jetzt Schluss ist? Auf sie ist er sauer.«

»Apropos May«, sagte Rog und fuhr mit dem Finger durch die Schmutzschicht auf dem Kofferraum, »wer soll ihr sagen, dass Louis tot ist?«

 

Pearce fragte sich, wieso eine massige Gestalt in blauem Anzug und mit genähter Oberlippe in der Tür zum Wohnzimmer stand. In
seiner
Tür. Der Wichser war in
seinem
Haus, Scheiße noch mal, und Pearce war gerade aus der Dusche gekommen mit nichts als einem Handtuch um den Hüften. »Wer zum …?« Mehr brachte er nicht heraus, bevor der Fremde ihn am Handgelenk packte, über die Schwelle zerrte und aufs Sofa schmiss.

Pearce war ganz und gar nicht zufrieden mit sich. Er hätte schneller sein müssen, mehr auf Draht. Als er herumgewirbelt wurde, bemerkte er einen weiteren, dürren Kerl, der in der Ecke lauerte. Den zweiten Typen hatte er auch nicht eingeladen.

Pearce landete auf der Seite und versank in den Polstern. Machte sich darauf gefasst, einen Faustschlag abzublocken. Jetzt war er wach, bereit. Aber nichts geschah. Der Dicke hatte es anscheinend nicht auf eine Schlägerei abgesehen. Pearces Handtuch hatte sich gelöst und war zu Boden gefallen. Er entspannte sich. Na schön, so gut er eben konnte angesichts der Tatsache, dass er splitterfasernackt vor zwei fremden Männern saß. Jungen Männern. Die eindeutig nicht hier waren, um sich nach seinem Wohlergehen zu erkundigen. Wenigstens waren sie nicht auch noch nackt. Dann wäre ihm wirklich ungemütlich geworden.

Der Hund von Pearce, ein dreibeiniger Dandie Dinmont Terrier, steckte die Schnauze durch die Tür, prüfte rasch die Lage und hoppelte davon. Das kleine Mistvieh war wirklich schlau. Pearce würde später noch mal ein Wörtchen mit ihm reden müssen. Ein warnendes Bellen wäre doch gewiss nicht zu viel verlangt gewesen. Pearce sollte ihn wieder ins Tierheim zurückbringen; mal sehen, wie ihm das gefiel.

Pearce richtete sich auf und legte die Hände auf die Sofalehne. Schaute den Dicken an. Die fette Sau saß bis zur Halskrause in der Scheiße, auch wenn es so aussah, als könne er hundertfünfzig Kilo bankdrücken, ohne ins Schwitzen zu kommen. Er hatte Glück gehabt, dass er Pearce überrumpelt hatte. An einem anderen Tag, wenn Pearce nicht abgelenkt war, hätte der Fettsack seine Knochen vom Boden auflesen können.

Fettsack züngelte an seiner genähten Oberlippe. In seiner großen Pranke hielt er ein Messer.

Pearce war noch feucht unter den Eiern, in der Arschritze und zwischen den Zehen. Wenn er nicht mal in Ruhe ‘ne Scheißdusche nehmen und sich abtrocknen konnte, dann konnte er auch genauso gut wieder im Gefängnis sitzen.

Er ließ sich nicht gern ans Gefängnis erinnern.

Er warf einen Blick auf den anderen Typen. Der Dürre hatte ein knochiges Gesicht und war angezogen wie ein Arschloch. Der Hintern seiner Jeans hing ihm bis in die Kniekehlen, dicke Goldkette um den Hals, die Senkel seiner Turnschuhe nicht geschnürt. Er machte auf cool und schabte mit seinem Messer an seinen Kinnstoppeln. Klar, beide hatten sie Messer, die Lieblingswaffe von Edinburghs Kleinkriminellen. Das von dem Dürren war echt hübsch. Die gezackte Klinge war achtzehn, vielleicht sogar zwanzig Zentimeter lang. Die Hand, in der er das Messer hielt, zitterte leicht. Der Dürre machte zwar auf cool, aber Pearce wusste, dass er hier fehl am Platz war. Wusste, dass die Sache eine Nummer zu groß für ihn war.

Null Bedrohung.

Pearce beachtete den Dürren nicht weiter. »Was habt ihr in meinem Haus zu suchen?«, fragte er den Fleischklops.

Anzug, Krawatte, glänzende Schuhe. Fettsack hatte sogar eine Aktentasche dabei. Schläger oder Buchhalter? Ein bisschen von beidem? Eindeutig nicht der harte Bursche, den er markierte. Pearce hätte es nicht gewundert, wenn dieser groß geratene Mops sich selber mit dem Messer verletzt hatte. Vielleicht war er ja so zu der Wunde an seiner Lippe gekommen.

Oh Mann. Pearce haderte mit sich. Hätte er aufgepasst, als er die Tür aufmachte, hätte er Fettsack quer über den Teppich verteilen können. Jetzt hieß es abwarten und alles richtig timen. Pearce kaute auf der Innenseite seiner Wange. Er hatte Murks gemacht. Er wurde langsam unvorsichtig, und das war immer ein Fehler.

»Wir glauben, du könntest uns vielleicht behilflich sein«, sagte der Mops.

Zuhälterjargon. Könnte glatt Anwalt werden. »Das bezweifle ich«, teilte Pearce ihm mit.

»Na ja, wir dachten, wir könnten ein bisschen bleiben, ein wenig plaudern.«

»Mir ist nicht nach reden.«

»Dann hör einfach nur zu.«

»Nach zuhören ist mir auch nicht.«

»Also, das ist ja wirklich zu schade. Wir hatten gehofft, du würdest kooperieren.«

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