Hard Man (22 page)

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Authors: Allan Guthrie

BOOK: Hard Man
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Seine Augen gingen auf. Er wusste, dass er sterben würde.

»Nein, tust du nicht«, sagte Pearce. »Hör mir zu, Jesus. Konzentrier dich gefälligst, verflucht noch mal!«

 

Als May die Tür öffnete, war Wallace überrascht. Er hatte sie seit einer Weile nicht mehr gesehen, und beim letzten Mal war es aus einiger Entfernung gewesen. Wie sie so in Fleisch und Blut vor ihm stand, erinnerte sie ihn an alles, was zwischen ihnen geschehen war. Egal was die Leute redeten, von wegen sie sei noch zu jung - und die Leute redeten viel, allerdings nicht so viel wie ihre beschissene Familie -, egal, sie war alt genug, um allein zu entscheiden, ob sie heiratete, und genau das hatte sie getan. Sie waren zusammen glücklich gewesen. Sie waren zurechtgekommen, oder etwa nicht? Er hatte sein Ding gemacht und sie ihres, und sie hatten nicht viel gestritten, und wenn, dann war es ziemlich rasch wieder vorbei. Und der Sex war grandios gewesen. Wallace konnte nicht verstehen, wieso sie mit diesem bärtigen Wichser geschlafen hatte. Er hatte es sie immer wieder gefragt, doch sie schien es selber nicht zu wissen. Als er nachgebohrt hatte, sagte sie, weil
er
so ‘nen Riesenschwanz hatte, aber Wallace wusste, dass sie ihn damit nur aufziehen wollte.

Wenn er sie jetzt anschaute, mit ihren verwuschelten Haaren und dem müden und traurigen Gesicht, war er sich nicht mehr sicher, ob er es durchziehen konnte. Sie war seine Familie. Er wollte Kinder mit ihr haben. War das zu viel verlangt, dass es seine eigenen sein sollten? Dreckige Schlampe. Hatte ihm so was angetan, verflucht, dass er sich so verhalten musste. Er hasste sie, war aber nahe dran, sie zu bitten, mit ihm nach Hause zu gehen. Da sollte ein anderer durchsteigen, ihm war das zu hoch.

»Du Drecksau!«, sagte sie. »Wieso hast du das mit Rog gemacht, verdammte Scheiße?«

»Ich hab doch gar nichts gemacht«, sagte Wallace, bevor ihm einfiel, dass er es nicht nötig hatte, hier rumzustehen und sich zu rechtfertigen.

»Und Louis. Wie hast du das meinem Hund nur antun können, Wallace?«

»Ich hab deinen Scheißköter nicht angerührt.«

»Und ob, Scheiße noch mal!«

»Hab ich nicht, verdammte Scheiße!«

»Na, irgendwer war’s.«

»Aber ich nicht, verdammte Scheiße!«

»Na, und wer soll’s dann gewesen sein?«

»Ich hab nicht die blasseste Scheißahnung.«

»Rog ist zusammengeschossen worden, und du hast ‘ne Knarre.«

»Das stimmt, verdammt noch mal, du beschissene Schlampe, und die benutz ich auch, verfluchte Scheiße, wenn du deine verfickte Fresse nicht hältst.«

»Das wagst du nicht, du Arschloch!«

»Brüll nicht so rum, du blöde Kuh!«

»Verpiss dich! Du denkst, alle haben Angst vor dir. Na schön, ich nicht. Ich hab dich schon nackt gesehen.«

Wallace stieß fest gegen die Tür. Ein Hund, dem ein Bein fehlte, hoppelte in ziemlichem Tempo an ihm vorbei und verkroch sich unter dem Telefontischchen im Flur.

»Schnuckelchen.«

»Ich hab dich auch nackt gesehen, May.«

»Wie schön für dich, herzlichen Glückwunsch.«

»Halt deine blöde Schnauze.«

»Und wenn nicht?«

Wallace schaute sie an, entschlossen. Sie starrte zurück, nicht weniger entschlossen. Er drehte sich zu Norrie um und schoss ihm in die Brust. Norrie schnappte nach Luft und ging zu Boden. Dort blieb er sitzen, ratlos, mit dem Rücken gegen die Tür eines Besenschranks im Flur gelehnt.

»Schau, wozu du mich getrieben hast«, sagte Wallace zu May. »Bist du jetzt zufrieden?«

»Ich hab dich zu gar nichts getrieben!«, sagte May. Endlich fing sie an zu schreien, verdammt. Es gehörte manchmal ‘ne Menge dazu, zu ihr durchzudringen.

Die Küchentür wurde aufgerissen, und da stand Jacob, bewaffnet mit einem Nudelholz und einem Brotmesser. Als er Norrie erblickte, ließ er seine Waffen fallen. Oder als er sah, was Norrie in der Hand hielt.

Wallace prallte zurück, als Norrie, der blutete wie eine geplatzte Packung Himbeersaft, einen .38er Smith & Wesson-Revolver auf ihn richtete. Die gleiche Scheißknarre, wie Wallace sie dank seines Schwagers Rog in der Hand hielt. Norrie drückte ab.

Wallaces linker Arm flog nach hinten. Er spürte keinen Schmerz. Angeschossen zu werden war gar nicht so schlimm. Er wirbelte herum und trat Norrie den Revolver aus der Hand. Er flog dem alten Zausel aus dem Griff, knallte ihm an die Stirn und landete scheppernd auf dem Fußboden. Wallace trat drauf und zog die Waffe zu sich ran. Am liebsten hätte er Norrie ein paar blaue Bohnen ins Hirn gefeuert, aber er wollte nicht noch mehr Krach veranstalten. Der Nachbarn wegen. Krach hatte es auch so schon genug gegeben.

Jetzt kam der Schmerz. Oh ja, er kam, verflucht, und wie! Es war, als wäre ihm ein Teil des Arms abgerissen worden. Und als er nach unten schaute, war das auch so ziemlich der Fall. Die Kugel hatte den fleischigen Teil seines Unterarms gleich unterhalb des Ellbogens erwischt, den Muskel durchschlagen und auf dem Weg einen Fetzen Fleisch mitgerissen und den Arm bis auf den Knochen freigelegt. Zumindest schien es sich bei dem dunkelrot überströmten weißen Klumpen um diesen zu handeln. Zum Glück war es nicht der Ellbogen selbst, sonst hätte es saumäßig wehgetan. Und obwohl er relativ stark blutete, rann das Blut eher, als dass es sprudelte, was ein gutes Zeichen sein musste. Sein Arm wurde zwar taub, aber sterben würde er nicht.

May schrie. Ein fürchterlicher Lärm. Viel schlimmer als die Schüsse. Und selbst wenn die Nachbarn die Schüsse für Böller gehalten hatten, ein Schrei war ein Schrei. Wallace wunderte sich, dass May nicht an dem Pulverdampf würgte. Er war ziemlich dicht. Stieg ihm in die Augen. Brannte.

Er richtete den Revolver auf sie. »Sei still«, sagte er. »Es ist mir verflucht ernst, May.« Und er musste auch so ausgesehen haben, denn sie verstummte auf der Stelle.

Er wandte sich an Jacob. Taxierte ihn von oben bis unten. Ein lächerlicher alter Trottel mit verbundener Nase und kotzegelben halbmondförmigen Blutergüssen unter den Augen. Wallace empfand beinahe Mitleid. Er krümmte die Finger. Der Arm war taub, aber die Finger ließen sich noch bewegen, obwohl er sich nicht sicher war, wie lange noch. Er musste die Wunde versorgen, die Blutung möglichst gering halten. Er bückte sich und hob Norries Revolver auf. »Da schau her«, sagte er und zeigte Jacob beide Waffen. »Ein .38er. Genau wie meiner.«

Jacob wirkte ratlos.

»Ist das die Waffe, die Rog die Kniescheiben weggeschossen hat?« Wallace lachte. »Ist sie doch, oder?«

Jacob schaute auf die beiden Revolver, starrte sie an, als würden sie zu ihm sprechen, ihm verraten, dass Wallace log.

»Wieso sollte ich lügen?«, sagte Wallace. »Wenn ich’s gewesen wäre, würd ich’s mit Freuden zugeben.«

»Aber das ist doch nicht möglich«, sagte Jacob, dem endlich die Wahrheit dämmerte. »Norrie … Er ist schließlich mein Freund.«

»Schöner Freund«, sagte Wallace. »Wach auf.«

»Nein«, sagte Jacob. »Nein.«

»Wie du meinst.«

Es war Wallace schnuppe, ob Jacob ihm glaubte oder nicht. So oder so musste er sich darauf konzentrieren, was er mit den beiden alten Trotteln jetzt machen sollte. Die Schmerzen waren bei der Entscheidung nicht gerade hilfreich. Norrie war in die Brust geschossen und würde wahrscheinlich sterben. Jacob war blass wie ein steifes Laken und sah aus, als würde er jeden Moment umkippen.

Wallace hatte nicht vor, Jacob umzubringen. Er hatte auch nicht vorgehabt, Norrie umzubringen, doch er hatte May zeigen müssen, dass er es ernst meinte. Und Norrie hatte es verdient. Jacob war ein alter Furz, aber gefährlich war er nicht. Trotzdem, wenn Wallace ihn nicht umbringen wollte, musste er ihn irgendwo einsperren, bis er mit May fertig war.

Der Besenschrank hinter Norrie wirkte einladend.

»Was ist da drin?« Wallace zeigte darauf und schaute May an. Sie war in Ordnung, schrie nicht. Sie zitterte allerdings ein bisschen. Die Hände klammerten sich um die Handtasche und kneteten sie.

»Nur ein Schrank«, sagte sie.

Norrie stöhnte. Immer noch Leben in dem alten Wichser.

»Wieso ist er abgeschlossen?« Wallace blickte zu Jacob, dann wieder zu May.

»Anders bleibt die Tür nicht zu«, sagte sie.

»Stimmt das?«, fragte Wallace Jacob.

Jacob wollte etwas sagen, aber genauso gut hätte ihm eine Faust im Mund stecken können, so viel Sinn ergab das, was er rausbrachte.

»Ja oder nein, Jacob«, sagte Wallace.

Jacob nickte.

»Schieb deinen Kumpel von der Tür weg«, befahl Wallace ihm. Jacob starrte ihn an.

Wallace wiederholte den Befehl.

Jacob rührte sich immer noch nicht.

Wallace richtete den Revolver auf ihn, und Jacob blinzelte und schlurfte zu Norrie hinüber. Er packte Norrie am linken Arm und zog ihn von dem Schrank weg. Norrie stöhnte wieder, laut. Jacob beachtete ihn nicht und zog weiter.

»Hilf ihm, May«, sagte Wallace. »Ich bin nicht…«, sagte May. »Jetzt mach schon, verflucht!«

May trat zu Norrie, wobei sie, so gut es ging, der Blutlache auf dem Boden auswich, packte Norries anderen Arm, und Vater und Tochter zerrten Norrie von der Tür weg.

»Und jetzt mach auf«, sagte Wallace zu May.

May drehte den Schlüssel und klappte die Tür auf.

Jawoll, es war nur ein Schrank. Ein geräumiger Wandschrank, in dem Krimskrams untergebracht war. Ein Bügelbrett, Staubsauger, Trittleiter. Von seinem Standort aus konnte Wallace nicht viel sehen, doch es war unwahrscheinlich, dass auf einem der Regale eine Uzi lag. »Packt ihn da rein«, sagte er.

Jacobs Gesicht war rot angelaufen, er murmelte etwas vor sich hin, hörte aber nicht auf zu meckern. Norrie stöhnte nämlich wieder, und es klang danach, als würde Jacob irgendwas brummein, von wegen er sei ein Arschloch. Was das allererste Mal war, dass Wallace Jacob fluchen hörte. Scheiße, musste der sauer sein. Vielleicht dämmerte ihm ja allmählich, was sein bester Kumpel getan hatte, der beschissene alte Schwachkopf.

Gegen seinen Willen fragte Wallace sich, wieso eigentlich. Aber es war nicht seine Sache, das zu erraten. Wer wusste schon, was im Kopf des alten Knackers vorgegangen war?

Wie dem auch sei, Wallaces Arm tat immer noch weh. Nein, >wehtun< war nicht das richtige Wort. Es fühlte sich an, als würde ein wild gewordener Hund an ihm knabbern. Er musste so schnell wie möglich verbunden werden, aber wenn man hinschaute, schien er nicht allzu schlimm zu bluten. Er schüttelte ihn, und da plätscherte gar nicht so viel herunter. Allerdings musste er ihn wahrscheinlich säubern lassen. Man konnte ja nie wissen, wo die Kugel überall gewesen war. Aber eins nach dem andern.

Norrie lag jetzt im Schrank flach auf dem Boden und keuchte. May und Jacob schauten ihn an, und May versetzte ihm halbherzig einen Tritt, dann stand sie still, kreuzte die Arme vor der Brust und sah Wallace an. Sie löste den Blick nicht von seinem Arm.

Wallace nahm die Kugeln aus Norries .38er. Es war nicht einfach, denn die Finger seines verletzten Arms waren kalt. Er spürte, dass May und Jacob beide erwogen, ihn anzugreifen. Vielleicht sich auf ihn zu stürzen, weil sie dachten, er sei verletzt und sie könnten es deshalb mit ihm aufnehmen. »Ich würd’s lieber nicht versuchen«, sagte er. Sie hielten Abstand.

Sobald er alle Kugeln herausgenommen und in die Tasche gesteckt hatte, warf er den Revolver in den Wandschrank. Er hatte eine Idee.

»Geh da rein zu deinem Freund«, sagte er zu Jacob.

»Ich kann May nicht alleinlassen.«

»Geh rein.«

»Tut mir leid. Ich kann nicht.«

»Dann erschieß ich dich, Jacob.«

»Aber ich kann sie doch nicht alleinlassen.«

»Ich schaff das schon, Dad. Tu, was er sagt.«

»Hör auf deine Tochter, Dad.«

»Aber ich kann nicht. Verstehst du das denn nicht?«

»Bitte, Dad. Geh rein in den Schrank. Er wird dich nicht umbringen.«

»Ich mach mir keine Sorgen um mich, May.«

»Langsam wird ich ungeduldig, Jacob.«

»Tut mir leid, Dad.« May trat hinter ihn und gab ihm einen Schubs in den Rücken. Er stolperte in Richtung Tür. Sie schubste ihn erneut, und er torkelte hinein.

Jacob drehte sich um. »Ach, May. Mir tut es leid.«

»Jacob?«, sagte Wallace.

Der alte Knabe schaute ihn aus tränenverschleierten Augen an.

»‘n Geschenk.« Wallace ließ die Hand in die Tasche rutschen. Er holte eine Patrone heraus und warf sie in den Schrank. Dann knallte er die Tür zu und schloss sie ab.

»Und was jetzt?«, sagte May zu Wallace.

»Verbind mir den Arm.«

May starrte ihn an. »Wie komm ich dazu?«

»Weil ich dich abknalle, wenn du’s nicht machst.«

»Ich bin keine Krankenschwester.«

Wallace nahm den Revolver in die andere Hand und zerfetzte seinen Hemdsärmel in einem jähen, schmerzhaften Ruck. Reichte ihr den zerrissenen blutbefleckten Stoff. »Wickel das fest um die Wunde.«

Sie nahm den Hemdsärmel, und er wechselte den Revolver wieder in die gesunde Hand. Sie tat wie befohlen, band den Stoff oben zu einem Knoten. »Und jetzt?«, fragte sie.

»Wir machen ‘ne Spritztour. Ich will dir was zeigen.«

»Und dann?«

»Geduld. Abwarten und Tee trinken.«

Wallace öffnete die Haustür, halb gefasst darauf, draußen das Überfallkommando zu sehen, doch anscheinend hatte niemand gemeldet, etwas gehört zu haben. Genau wie damals, als Rog Wallace einen Besuch abgestattet hatte. Edinburgh war wunderbar. Man hörte Schüsse und beschloss, dass es etwas anderes war. Niemand feuerte Schüsse in Edinburgh ab. So was kam nur in Glasgow vor.

Etwas streifte sein Bein, und May schrie auf, als der dreibeinige Hund jaulend über den Gartenpfad und auf die Straße hinaushoppelte.

Die verängstigte kleine Töle kam nicht weit. Verkehrsreiche Straße eben.

 

Jacob hörte, wie sich die Haustür schloss. May war weg. Er hatte es verpatzt. Nach all ihren Vorsichtsmaßnahmen, nach all ihren fehlgeschlagenen Versuchen, sie zu beschützen, Pearce auf ihre Seite zu ziehen, hatte Wallace sie doch noch erwischt. Pearce musste tot sein. Und May war es so gut wie.

Am liebsten wäre er auf die Knie gesunken und hätte geheult. Erbärmlicher alter Trottel, der er war.

Irgendwie hätte er sie beschützen müssen. Aber wie hätte er das tun sollen, ohne erschossen zu werden? Nicht dass es ihm etwas ausgemacht hätte, erschossen zu werden. Nein, was er meinte, war, dass er sie nicht hätte beschützen können. Bei jedem Versuch wäre er erschossen worden wie Norrie, keine Frage. Und dann hätte er überhaupt keine Chance mehr gehabt, sie zu beschützen. So wie die momentane Lage war, konnte er ja vielleicht doch noch was ausrichten. Ja, irgendwas.

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