Hard Man (2 page)

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Authors: Allan Guthrie

BOOK: Hard Man
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»Bist du fertig?«, fragte Pearce ihn.

»Fertig?«, sagte Fettsack. »Wir haben noch nicht mal angefangen.« Er wandte sich zu dem Knochengestell. »Flash?«, sagte er.

Flash? Was war ‘n das für ’n Name? So ‘ne Art Bandenname? Pearce sollte sich auch einen zulegen. Wie könnte er sich wohl nennen? Ihm fiel nichts ein. >Pearce< musste reichen.

Flash beendete seine Trockenrasur, indem er das Jagdmesser in die Luft warf. Es landete mit der Spitze voran und bohrte ein Loch in ein Dielenbrett.

Mit solchen schwuchteligen Kinkerlitzchen konnte er vielleicht einem Dreijährigen imponieren. Wahrscheinlich hatte er das auch noch tagelang geübt. Aber wenn man Eindruck schinden wollte, dann warf man nicht ein Messer in die Luft und schaute ihm beim Fallen zu. Das war doch pillepalle. Mit einem dreckigen Grinsen beobachtete Flash eine Weile, wie die Klinge zitterte. »Ich hab gehört, du bist ‘n Warmduscher, Pearce«, sagte er. »Hast schlappgemacht, als deine Mama gestorben ist.«

Wie bescheuert war dieses mickrige Arschloch eigentlich, verdammte Scheiße? Heilige Muttergottes.

»Hab gehört, du hast ‘nen Schuss in den Magen abgekriegt«, übernahm Fleischklops. Er war zwar viel stärker als sein Freund, aber intelligenter bestimmt nicht. »Hattest danach keinen Appetit mehr auf Gewalt.« Er grinste und schaute zu Flash. »Kapiert? Schuss in den Magen. Keinen Appetit mehr.«

»Der war gut«, sagte Flash. »Echt witzig. Findest du nicht, Warmduscher?«

Pearce sagte nichts. Er hatte keine Ahnung, wieso sie versuchten, ihn zu provozieren.

»Ich hab dich was gefragt«, sagte Flash.

Pearce schaute ihn an und sagte: »Du bist ‘ne hohle Nuss.«

»Haste das gehört?«, sagte Fettklops. »Der Warmduscher ist sauer.«

»Da passen wir besser auf, dass er uns nicht wehtut, hm?«

Die beiden Dumpfbacken waren so mit Lachen beschäftigt, dass sie nicht reagierten, als Pearce sich vom Sofa fallen ließ. Mit ausgestrecktem Arm schnappte er nach Flashs Messer, erreichte den Griff und zog es aus dem Dielenbrett, bevor Flash einen Schritt machen und »He1.« sagen konnte. Aber da war es schon zu spät.

Pearce zog die Klinge zwischen Flashs Beinen nach oben. Trennte die Naht seiner tief sitzenden Jeans etliche Zentimeter weit glatt durch. Fast bis ins Ziel. Verdammt knapp. Scheiße, echt verdammt knapp. Pearce schätzte, dass das Risiko, die Sache zu versauen, ziemlich groß gewesen war. Aber im Leben kam’s nun mal drauf an, was zu riskieren, oder?

»Wie war das eben mit dem Wehtun?«, sagte er.

»Oh, Scheiße.« Flash schaute nach unten zwischen seine Beine, und wurde blassgrün im Gesicht.

Ungewöhnlich, aber Pearce hatte das schon einmal gesehen. Im Gefängnis, bei einem Achtzehnjährigen, der zeigen wollte, was für ein toller Kerl er war, und mehr Shit geraucht hatte, als er vertragen konnte. Obwohl er dabei grün im Gesicht geworden war, wurde er danach von allen immer nur >Whitey< genannt. »Dad?«, rief Flash.

Jetzt rief er nach seinem Papa, der arme Kleine. Pearce fragte sich, ob er Flash nicht einfach loslassen und aus dem Weg gehen sollte, bevor Flash noch über ihn reiherte. Ach was, scheiß drauf. Das Risiko würde er eingehen, aber eine Warnung konnte nicht schaden. »Wenn du mich vollkotzt«, sagte er, »dann wird ich richtig sauer.« Er verstärkte den Druck nach oben ein wenig. »Das war nicht gut für dich.« Und noch ein bisschen.

Flash heulte auf.

Jetzt ging es bis an die Haut.

»Fallen lassen«, sagte Pearce zu Fettsack.

Fettsack blickte verdattert auf seine Hand, als wäre ein Messer das Letzte, was er darin zu sehen erwartete. Er schaute sich ratlos um. »Wo soll ich’s hintun?«

Um Himmels willen. »Da drüben«, sagte Pearce und zeigte auf eine Stelle in sicherer Entfernung von sich und seiner Geisel.

Fettsack warf das Messer. »Lass meinen Bruder los«, sagte er. »Dann sagen wir dir, weshalb wir hier sind.«

»Kein Interesse«, sagte Pearce, der sich fragte, wie es sein konnte, dass die beiden Brüder waren.

»Dad!«, sagte Fettsack.

Oh Mann, jetzt der auch noch. Pearce spannte den Arm, und Flash quiekte, und Fettsack hielt die Fresse. »Um dich kümmere ich mich gleich«, sagte Pearce zu Fettsack. Er schaute zu Flash hoch. »Hast du dich schon mal gefragt, wie sich dein Lachsack so anfühlt, wenn er in der Mitte durchgeschnitten wird, Flash?« Er schwieg, um Flash einen Moment zum Nachdenken zu lassen. »Könnte natürlich auch vorbeitreffen. Nicht die Mitte von deinem Eierbeutel erwischen. Am Ende noch eins von deinen Eiern halbieren. Das würd wehtun, meinst du nicht?«

Flash gab ein maunzendes Geräusch von sich. Pearce war versucht, ihn zu fragen, wer jetzt der Warmduscher war, aber er verkniff es sich.

Bei Fettsack war der Kiefer runtergeklappt. Der armselige Wichser sah aus, als hätte ihm einer eine tote Katze durch die Fresse gezogen. Mehrmals.

Flash sah immer mehr aus, als müsste er kotzen. Und Drohungen würden ihn nicht davon abhalten. Scheiß drauf. Pearce erhob sich auf ein Knie und zog das Messer aus Flashs Hose. Ein erleichterter Ausdruck breitete sich über Flashs Gesicht. Sofort wirkten seine Wangen weniger grün. Aber die Veränderung war nur von kurzer Dauer.

Pearce ballte die Faust und rammte sie Flash zwischen die Beine.

Flash klappte nach vorn, schwankte und stürzte zu Boden. Nach einer Sekunde machte er ein Würgegeräusch und blies die Backen auf.

Pearce ließ ihn keuchend liegen und ging auf das Mopsgesicht zu.

Dieser hatte sich keinen Zentimeter gerührt. Er sah immer noch verdattert aus. Pearce legte Flashs Messer auf den Boden. Er war sich sicher, dass er es nicht mehr benötigte. Mit aller Kraft versetzte er Fettsack einen Schlag gegen den Kopf. Der Fleischberg taumelte zur Seite, blieb vor dem Sofa stehen und kippte um. Ein unbrauchbarer fetter Sack voll Scheiße.

Pearce warf einen Blick nach Flash, aber von dort drohte keine Gefahr. Wenn man einem Mann in die Weichteile boxt, ist er gewöhnlich außer Gefecht gesetzt. Der dürre, mickrige Scheißkerl hatte sich in die Ecke geschleppt, wo er zusammengerollt stöhnte. Er fing Pearces Blick auf und rief erneut nach seinem Daddy.

Pearce hob das Handtuch auf, das ihm runtergefallen war, und schlang es sich erneut um die Hüften. Er nahm den Aktenkoffer von Fettsack und ließ die Schlösser aufschnappen. Darin lag ein Bild. Sonst nichts. Ganzkörperaufnahme eines blonden jungen Mädchens: Sonnenbrille, kurzgeschorene Haare, ein kleines Bäuchlein, aber das war okay, Shorts, Sandalen, die Arme unter vollen Brüsten verschränkt, Piercings in Ohren, Nase, Bauchnabel, und Gott allein wusste, wo sonst noch. Sie war nicht Pearces Typ, aber er konnte sehen, was Fettsack attraktiv an ihr fand. Allerdings war sie jung. Nicht älter als achtzehn wahrscheinlich.

Auf der Rückseite des Fotos stand eine Telefonnummer.

»Entschuldigen Sie«, sagte eine neue Stimme. Eine Männerstimme, reif, mit Edinburgher Akzent. »Mr. Pearce?«

Pearce lächelte. Schon wieder. Nicht aufgepasst. Er drehte sich zu dem Mann um, der ins Wohnzimmer trat. Er musste zweimal hingucken. Der Typ hatte einen Klumpen rohes Fleisch dort, wo seine Nase sein sollte. Was möglicherweise gar nicht so schlimm war, denn der lenkte die Aufmerksamkeit ab von den Falten, die kreuz und quer die Augenwinkel des Alten durchzogen, den Furchen, die sich in seine ledernen Wangen gruben, und den Linien, die von seinen Mundwinkeln zur Kinnspitze verliefen.

»Kommen Sie rein«, sagte Pearce. »Heute ist Tag der offenen Tür.«

»Ich heiße Baxter.«

Pearce hörte Baxter beim Atmen zu. Ein Anflug von pfeifendem Rasseln. Hörte sich an, als würde er zu viel rauchen. »Haben Sie auch ‘nen Nachnamen?«, fragte Pearce.

»Baxter
ist
mein Nachname.«

»Und wie steht’s dann mit ‘nem Vornamen?«

»Jacob.« Er streckte die Hand aus. Pearce schaute sie an, ohne sich zu rühren. »Ich komme ein bisschen spät«, sagte Baxter, der sich umschaute. Fettsack war nach wie vor bewusstlos. Flash hatte die Arme um sich geschlungen und stöhnte jetzt leiser. Ohne dass Pearce ihn dazu ermuntert hätte, fuhr Baxter fort: »Ich hätte dafür sorgen müssen, dass Rog und Flash nichts zustößt.«

Rog? Na, das Dickerchen steckte ja voller Überraschungen. Hätte sich genauso gut Schwuchtel nennen können. »Das scheinen Sie ja wohl verbockt zu haben.«

»Ich war draußen.« Jacob deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Meine Jungs sollten mich rufen, wenn die Sache haarig wird.«

Jetzt wusste Pearce, wer der Mann war. Dad.
Meine Jungs.
Ein richtiges Familientreffen. »Haben sie auch«, sagte er.

Baxter schüttelte missbilligend den Kopf. »Ich bin manchmal ‘n bisschen langsam«, sagte er. »Ist kein Spaß, alt zu werden.« Er zog eine Packung Zigaretten aus der Tasche und sagte: »Was dagegen?«

»Solange Sie nichts dagegen haben, wenn ich zu Ihnen rüberkomme und den Teppich vollpisse.«

Baxter runzelte die Stirn, was kein schöner Anblick war und, der Reaktion des alten Knaben nach zu urteilen, leichte Schmerzen in der Nase hervorrief. Er steckte die Kippen wieder ein.

Pearce legte das Foto zurück in den Aktenkoffer und knallte den Deckel zu. »Baxter«, sagte er, »ich nehm’s Leuten übel, wenn sie in mein Haus einbrechen und mich bedrohen.«

»Ich weiß. Es tut mir leid. Ehrlich. Wenn es eine andere Möglichkeit gegeben hätte …«

»Der Fettsack und der Dürre hätten ja erst mal anklopfen können.«

»Haben sie das nicht? Hören Sie, es tut mir leid …«

»Macht nichts. Ich hab ihnen ein paar Manieren beigebracht.«

»Fotze!«, schrie Flash.

Pearce schaute auf ihn, dann auf den Aktenkoffer. Gut verarbeitet, stabil. Er ging zu Flash hinüber und verpasste dem unverschämten kleinen Scheißer rasch einen Schlag mit der Kante auf den Kopf. Flash stöhnte. Pearce schlug noch einmal zu, und Flash hörte auf zu stöhnen.

»Mr. Pearce«, sagte Baxter und hielt seinen Arm fest, »bitte tun Sie ihnen nicht weh.«

»Kommt ‘n bisschen spät.«

»Wir brauchen Ihre Hilfe. Mehr wollen wir gar nicht. Nur etwas Unterstützung bei einem kleinen Problem.«

»Sie hätten einfach fragen können.«

»Wir wollten zuerst sehen, ob Sie sich Ihrer Haut zu wehren wissen.«

»Soll das so ‘ne Art Test sein? Mit diesen beiden? Machen Sie sich nicht lächerlich. Die haben doch im Leben noch keine Schlägerei gehabt, oder?«

»Das stimmt nicht ganz.« Baxter schwieg eine Weile, dann, als Pearce nicht nachfragte, sagte er: »Rog ist Rausschmeißer.«

»Ach ja? Hätt ich gar nicht gedacht.«

»Er ist es nicht gewohnt, dass Leute sich wehren.«

»Wie lange ist er schon Rausschmeißer? Eine Woche?«

»Er ist sehr gut in seinem Job. Hat grade ‘ne Gehaltserhöhung gekriegt. Hören Sie, die Jungs sind in Ordnung. Die sind okay, meine Jungs.«

Auf keinen Fall war Rog Rausschmeißer, aber Pearce ließ es durchgehen. »Sie sollten sie nicht mit Messern rumlaufen lassen. Am Ende verletzen sie sich noch.«

»Können wir über Geld reden?«, sagte Baxter.

»Wir können jederzeit über Geld reden.« Pearce fragte sich, was jetzt kam. »Wie viel?«

»Vier Riesen.«

»Und was soll ich tun für vier Riesen? Ihnen den Rasen mähen?«

»Das ist alles, was wir aufbringen können.«

»Mir blutet das Herz«, sagte Pearce. In Wirklichkeit konnte er die Kohle gut gebrauchen. Vier Riesen waren kein Vermögen, aber sie würden helfen. Er hatte eine Hypothek und keinen Job. »Was soll ich dafür tun, Baxter?«

»Meine Enkelin beschützen.«

Pearce dachte einen Moment nach. »Vor was?«, sagte er dann.

»Nicht >was<.
Wem.
Vor ihrem Vater. Sie haben das Foto gesehen.« Er neigte den Kopf in Richtung Aktenkoffer. »Was ist damit?«

»Das Baby ist meine Enkelin.«

Pearce öffnete den Koffer erneut und betrachtete das Bild. Schüttelte den Kopf. »Sie ist noch klein«, sagte er, »aber ein Baby ist sie nicht.«

 

Pearce hörte zu, während Baxter die Lage erklärte.

Das Mädchen auf dem Foto war May, seine Tochter. Sie war sechzehn, noch jünger, als sie aussah, und mit einem Mann verheiratet, der zehn Jahre älter war als sie, und sie war im dritten Monat schwanger. Leider nicht mit dem Kind ihres Mannes. Als Wallace, ihr Mann, es herausgefunden hatte, hatte er sie verprügelt und auf die Straße gesetzt. Alles in Ordnung, meinte Baxter, wenn er es dabei hätte bewenden lassen. Dass er sie geschlagen hatte, hätte Baxter ihm angesichts der Umstände vielleicht noch verzeihen können. Aber danach hatte Wallace sie nicht mehr in Ruhe gelassen. Er hatte ihr Drohbriefe geschickt, Nachrichten auf der Voicemail hinterlassen, war vor ihrem Haus aufgetaucht, vor der Schule.

Pearce blickte Baxter scharf an. »Verheiratet, schwanger und in der Schule? Das ist nicht richtig.«

»War nicht ihre Schuld«, sagte Baxter. »Sie ist sehr helle«, fügte er dann hinzu.

»Was macht sie jetzt?«

»Sucht sich ‘nen Ferienjob.«

Pearce nickte. »Haben Sie ihrem Mann gesagt, dass er sie in Ruhe lassen soll?«

Baxter berichtete ihm von dem Abend, an dem sie mit Hämmern und Schraubenschlüsseln zu ihm gegangen waren und er sie vermöbelt hatte.

Pearce wunderte sich kein bisschen. »Was glauben Sie, was er will?«, sagte er.

»Wie meinen Sie das?«

»Will er May zurückhaben? Lässt er sie deshalb nicht in Frieden?«

»Er hat sie rausgeschmissen.«

»Verletzter Stolz?«, schlug Pearce vor. »Der nimmt sie nicht zurück.«

»Sicher?«

Jacob zuckte die Achseln.

»Worauf ist er dann aus?«, fragte Pearce.

»Rache.«

»An May?«

»In erster Linie. Aber hinter uns andern ist er auch her.

Die große Liebe hat nie zwischen uns bestanden, aber jetzt hasst er uns richtiggehend.«

»Und was ist mit dem Vater von dem Baby? Seinem biologischen?«

»Ist abgehauen. Nicht nur vor May, sondern überhaupt.«

»Ist das nicht ein bisschen extrem?«

»Nicht wenn er weiterleben will. Sie kennen Wallace nicht.«

»Wie wahr«, sagte Pearce.

»Werden Sie uns helfen?«, sagte Baxter mit Blick auf seine Söhne. Er spielte den Ruhigen und Gefassten, der das hier locker nahm, gar nicht übel. Aber Pearce täuschte er nicht. Baxter war vielleicht nicht der Typ, der Blumen und Obst mit ans Krankenbett brachte, doch hart war er nicht. Im Gesicht war er hart, aber innerlich, da war er so weich wie ein Babypopo.

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