Meat (18 page)

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Authors: Joseph D'Lacey

Tags: #Fiction, #Horror, #Thrillers, #Suspense, #Science Fiction, #General, #General Fiction

BOOK: Meat
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Augen. Wunderschöne Augen.

»... Allmächtig ... Geheiligt.«

Zisch-Klonk.

Roter Schalter.

Es dauerte in diesem Zustand nur wenige Tage, bis seine
Aufregung in ein Grauen vor der Fabrik umschlug. Ein Grauen, das noch tiefgründiger war als zuvor. Er konnte nicht einfach wieder verlernen, was die Auserwählten miteinander sprachen. So viele der ausgetauschten Klopfnachrichten erschlossen sich ihm jetzt in ihrer Bedeutung. Was Shanti hörte, drohte ihm das Herz zu brechen. Den Bolzenschussapparat zu bedienen, die Tätigkeit, für die ihn jeder hier verehrte, war zu einem neuen Alptraum geworden. Einem noch viel schlimmeren.

»... Allmächtig ...«

Zisch-Klonk.

Geheiligt.

Zisch-Klonk.

Einen nach dem anderen streckte er die Auserwählten nieder, schickte sie in die Tötungsbucht ― in der Gewissheit, dass auf seiner Schicht keiner von ihnen das Bewusstsein wiedererlangen würde. Er leistete seinen Beitrag dazu, und das tat er, so gut er irgend konnte. Aber er hörte sie jetzt in jedem Abschnitt der Anlage. Es gab kaum noch etwas über das Wesen der Auserwählten, das er nicht verstand. Es waren noble Wesen. Nobel auf eine Art, die kaum jemand in Abyrne jemals begreifen würde. Mit Ausnahme von John Collins und seinen Anhängern.

In den Sammelpferchen, die zum Ruhigsteller führten, sprachen sie ein Gebet füreinander. Shanti hörte dieses Gebet jeden Tag hunderte Male:

 

Hhaah, Ssuuh. Dir sei versichert, deine Zeit wird kommen. Mögest du voller Würde vorwärtsgehen, eingehen in deine Zeit. Mögest du dein Haupt erheben vor denen mit den geschickten Händen und ihre leuchtenden Spitzen und Klingen willkommen heißen. Möge deine Nacht vollständig angebrochen sein, bevor sie nehmen, was du gibst, indem du
gehst. Wir, die wir geben, wir, die wir sicher sind, dir nachzufolgen, grüßen dich. In einem fernen Morgen werden wir dich mit neuen Augen sehen. In einem Land werden wir dich sehen, in dem Schmerz nicht einmal mehr eine Erinnerung ist. In dem das, für was wir zu geben gehen, nicht wieder erbeten wird. Hah, suh. Dir sei versichert, deine Zeit wird kommen. Gib, was du zu geben hast, gib es freimütig. Wir, die wir geben, grüßen dich, denn wir sind sicher, dir nachzufolgen. Haah, suuh. Denn unser aller Zeit wird kommen.

 

»Ich möchte euch nicht noch einmal bei solchen Spielen erwischen, habt ihr mich verstanden?«

»Aber warum denn, Mama?«, fragte Hema. »Wir tun doch bloß so als ob.«

»Deinem Vater würde es nicht gefallen. Und ganz davon abgesehen: Wie kommt ihr darauf, dass es in Ordnung wäre, eure Spielsachen zu zerschneiden? Was glaubt ihr, woher ihr eine neue Puppe kriegt?«

»Wir können uns eine machen«, sagte Harsha. »In der Schule basteln wir ständig Püppchen.«

»Keine wie diese. Die mit der weichen Haut sind schwer zu finden und sehr teuer. Ich werde euch keine neue kaufen.«

»Können wir das Fleischspiel spielen, wenn Daddy nicht da ist?«

Maya stand mit verschlungenen Armen da und sah von einem hübschen Gesicht ins andere. Sie vermochte nicht das geringste Zeichen von Arglist darin zu entdecken. Sie hatte ihnen gesagt, dass ihr Vater es nicht billigen würde ―und das war eine Untertreibung. Wenn er sie dabei erwischen würde, wie sie das »Fleischspiel« spielten, würde er den Spieß umdrehen: Nicht sie würde gehen, sondern
möglicherweise würde er sie vor die Tür setzen. Genau genommen benutzte sie Richard den Zwillingen gegenüber nur als Vorwand: Ihren eigenen Kindern zuzusehen, wie sie das Schlachten und Servieren der Auserwählten spielten, drehte ihr den Magen um. Es gab ihr ein ausgesprochen unbehagliches Gefühl.

Ganz besonders heute, wo sich der beständig wehende Wind von Südosten gedreht hatte und nun die Gerüche vom Arbeitsplatz ihres Mannes bis zur Stadt und vorbei an ihrem Haus trug. Dies war bereits das zweite Mal, dass sie sah, wie die Mädchen ihren Spielsachen »Fleisch« servierten. Sie wollte, dass es endet. Und wenn es nicht endete, wollte sie es zumindest nicht mehr sehen. Nie mehr.

»Ich mache euch einen Vorschlag. Ihr dürft das >Fleischspiel< spielen. Aber ihr dürft euch nie dabei erwischen lassen ― weder von mir noch von eurem Vater. Das bedeutet: Es ist ein geheimes Spiel. Und ihr redet mit niemandem darüber. Alles klar?«

Die Zwillinge sahen sich an, und es war unschwer zu erkennen, wie sehr sie diese Idee entzückte. Ein geheimes Spiel. Das war sogar noch besser als das ursprüngliche Spiel.

Begeistert nickten sie mit dem Kopf.

»Alles klar, Mama.«

 

Ihnen in die Augen zu sehen und den Abzug der Bolzenschusspistole zu betätigen, wurde schwerer und schwerer. Selbst das Gerät an sich schien schwerer geworden zu sein als eine Pistole aus Blei. Er hatte sich über all die Jahre für einen Mann gehalten, der das Unvermeidliche mit Geschick und Mitgefühl erledigte. Dessen Lippen niemals ein Bissen Fleisch passierte. Und doch verübte er weiterhin seine Pflicht im vollen Bewusstsein ihrer wahren Bedeutung, wäh
rend er zuhörte, wie sich die sanftmütigen Auserwählten mit der Demut von Heiligen auf ihren vorzeitigen, gewalttätigen Tod vorbereiteten. Kein Pastor der Fürsorge würde jemals auch nur annähernd ihre Herzensreinheit erreichen. Die Städter waren weit davon entfernt, das Wesen des Bösen, das Abyrne beherrschte, zu begreifen. Die Stadt war verdorben bis ins Mark, und all jene, die in ihr lebten, waren ― bis auf einige wenige Errettete ― die Würmer, die sich von ihrer Fäulnis nährten.

Shanti war sich bewusst: Er war von allen Würmern der verdorbenste. Er war der Schlächter, der Mann mit dem Bolzenschussgerät, der Schlachtarbeiter, den jeder MFP-Angestellte für sein todbringendes Talent respektierte.

Ein Schlächter konnte genauso schnell ersetzt werden wie das gebrochene Glied einer Kette. Nur Stunden nach seinem Abgang würde bereits ein Neuer in seine Fußstapfen treten. Doch das rechtfertigte nicht, was er getan hatte, das wusste er jetzt genau. Es war unwiderlegbar.

Alles begann und endete mit ihm.

 

10

 

»Was hast du ihnen sonst noch in ihre Köpfe getrichtert?«

»Um ihre Köpfe habe ich mich nicht gekümmert. Es waren ihre Seelen, die meiner Hilfe bedurften. Die Bürger sind hungrig, Magnus, aber nicht auf dein aasiges Fleisch. Sie hungern nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Sie verzehren sich danach, dass ihr Leben einen Sinn bekommt, nach Frieden für Geist und Seele. Sie wollen die Freiheit. Alles in allem wohl keine Produkte, die du jemals anbieten kannst.«

»Je mehr Scheiße du erzählst, desto mehr Freude wird es mir bereiten, dich zu zerstückeln, mein Sohn. Du bist vermutlich der dreisteste Bastard, der mir jemals unter die Augen gekommen ist. Aber es sind nicht deine Eier, die aus dir sprechen. Einen Mann mit Eiern könnte ich respektieren. Nein, du wagst es nur deshalb so mit mir zu reden, weil du nicht ganz richtig im Kopf bist. Ich werde nicht zulassen, dass eine geisteskranke Missgeburt wie du mir meine Geschäfte versaut. Dass ein irrer Psycho den Leuten in der Stadt die Köpfe verdreht. Aber ich bin neugierig, mehr über das zu hören, was mir meine Leute berichtet haben. Sie haben mir weitaus seltsamere Dinge erzählt, als du es bisher getan hast. Vielleicht hast du ja einfach zu viel Schiss, mir deine Geheimnisse anzuvertrauen. Befürchtest du etwa, ich könnte sie dir stehlen?«

Collins lachte. Laut und rau. Schallendes, dionysisches
Gelächter. Deutlich eine Nummer zu groß, für einen Mann von derart fragiler Gestalt.

»Halt's Maul, Collins, oder ich blase den Kampf ab, auf den du so scharf bist. Und wir beginnen gleich damit, dich auseinanderzunehmen. «

Collins zwinkerte die Tränen des Gelächters weg, so gut er eben konnte, und erwiderte: »Es liegt ganz bei dir, Magnus. Leg Hand an mich, wann immer du das Bedürfnis dazu verspürst. Allerdings würde ich es bedauern, dir nicht deine Zähne in den Hals gedroschen zu haben.«

Verdammter Mist, dachte Magnus, wenn ich nicht aufpasse, bin ich bald davon überzeugt, dass es völlig normal sei, wenn Leute in diesem Ton mit mir reden. Je schneller wir das hinter uns bringen, desto besser. Dieser Scheißkerl pfuscht mir im Gehirn herum, das kann ich nicht zulassen. Um nichts in der Welt.

»Komm auf den Punkt, Söhnchen. Erzähl mir doch mal, wovon du dich in der letzten Zeit so ernährt hast.«

»Das ist völlig irrelevant. Du würdest es ohnehin nicht verstehen, Magnus. Nicht einmal die einfachsten Grundsätze.«

»Ich will es auch gar nicht verstehen, Collins. Ich möchte es bloß aus deinem Mund hören. Ich möchte mich vergewissern, dass die Informationen, die ich erhalten habe, korrekt sind.«

Collins zuckte mit den Achseln.

»Ich lebe von Gott. So einfach ist das. Es gibt tatsächlich keinen anderen Weg, es zu erklären. Es mag aussehen, als würde ich das Licht einatmen, es in mich aufnehmen ― aber in Wahrheit ist das, was ich tue, nichts anderes, als mich von Gott selbst zu ernähren.«

Collins' Blick wurde weicher. Was Magnus verstörte. Niemand hatte ihn jemals so angesehen. Was war das? Anteilnahme? Mitgefühl? Mitleid?

»Ich wünschte, du könntest es selbst erfahren, Magnus.« Überaus rücksichtsvoll von ihm, dachte Magnus. Wie durchgeknallt ist dieser Kerl eigentlich?

»Es gibt keine vergleichbare Erfahrung. Ich weiß, dass es die Welt, wie Sie sie sehen, und Ihre komplette Wahrnehmung auf den Kopf stellen würde, wenn Sie es nur versuchen würden. Das ist das Wundervolle daran. Jeder, wirklich jeder, kann es machen. Es ist so einfach. Das ist der wahre Grund dafür, dass ich keine Angst vor Ihnen habe. Der Grund dafür, dass ich keine Angst habe zu sterben.«

Magnus nahm sich Zeit, eine Antwort zu formulieren. Zu den Ansichten des Mannes gab es einiges zu sagen. Eine Menge Wege, die ein Mann des Denkens beschreiten konnte. Magnus setzte nicht gern aufs Denken. Er bevorzugte Taten. Denn die waren es, an denen ein Mann gemessen wurde. Soweit er das bisher sagen konnte, setzte Collins einzig und allein auf Geschwätz. Seine bizarre Mission in der Garage war Geschwätz. Und alles, was hier im Büro zwischen ihnen ablief, war Geschwätz. Der Unterschied zwischen ihnen war, dass Magnus es vorzog, zu handeln. Er hatte seine Jungs losgeschickt, um Collins zu finden und ihn so hierhergebracht. Wenn ihr Tête-à-tête vorüber war, würde Magnus all seine Drohungen wahrmachen, er würde den Worten Taten folgen lassen. Was Collins betraf, war selbst seine Herausforderung zum Kampf bisher weiter nichts als Geschwätz gewesen. Magnus war sich ziemlich sicher, dass der Mann sich damit nur ein wenig mehr Zeit erschleichen wollte.

Trotz all dieses Mülls, der aus seinem Mund kam, gab es etwas an Collins, dass ihm weniger verrückt als lediglich fehlinterpretiert vorkam. Wenn man ihn machen ließ, war ein Mann wie Collins imstande, den Leuten beinahe alles
einzureden. Magnus konnte sich glücklich schätzen, ihn
geschnappt
zu haben, bevor er einen Aufstand an den Hacken hatte. Collins hatte Charisma. Es war nicht bloß Wahnsinn. Einige seiner Worte hatten Magnus' Defensive getroffen. Jetzt gerade versprühten sie ihr Gift. Etwas, das von den dem Mann ausging, der vor ihm kniete, hatte sich in seinem Hirn festgesetzt.

Aber Magnus hatte einen eisernen Willen. Niemand, auch Collins nicht, würde so mir nichts, dir nichts in seinen Kopf spazieren und an seinem Weltbild herumpfuschen. Und doch ging hier etwas Seltsames vor. Der Mann strahlte etwas aus, auf das er reagieren wollte. Er verspürte den unwiderstehlichen Drang, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Magnus wollte reden. Und er fühlte sich stark genug, noch ein wenig länger mit ihm zu sprechen, ohne sich manipulieren zu lassen. Irgendwie schien es ihm lohnenswert, fortzufahren, und sei es nur, um seine Neugierde zu befriedigen. Danach konnte er Collins immer noch aufschlitzen und ihn für immer vergessen.

»Gut, dass ich nicht religiös bin«, sagte Magnus. »Sonst müsste ich eventuell darauf hinweisen, dass du Blasphemie betreibst. Du widersprichst allem, was ich über das Buch des Gebens weiß. Der Vater hat uns seine Kinder zum Verzehr überlassen. Er hat uns keineswegs instruiert, uns an ihm persönlich gütlich zu tun.«

»Gott ist die einzige Nahrung, die wir benötigen. Das einzige Essen. Das einzige Fleisch.«

Magnus schüttelte enttäuscht den Kopf.

»Tu das nicht, Collins. Nicht mit mir. Versuch nicht, wie die Pastoren der Fürsorge mit ihrem Psychogefasel zu klingen. Wage es nicht, mir zu predigen, als wäre ich ein dahergelaufener Idiot.« Magnus ließ sich auf der Stufe vor seinem gigantischen Schreibtisch nieder, so dass er sich
auf Augenhöhe mit seinem Gefangenen befand. »Ich für meinen Teil glaube nicht das geringste Wort, das im Abdominalpsalter oder irgendeinem anderen heiligen Buch geschrieben steht. Schließlich bin ich nicht blöd. Ich weiß, wie wichtig die Präsenz der Pastoren ist. Ich weiß, wie wichtig es ist, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Ich weiß, wie wichtig Regeln sind, und dass Religion ihren Zweck erfüllt. Aber persönlich geht mir das alles am Arsch vorbei. Das solltest du wissen. Die Tatsache, dass ich öffentliche Lesungen aus dem Buch des Gebens in meinem Viehhof und der Fabrik befürworte, bedeutet nicht, dass ich mehr tue, als dafür Sorge zu tragen, dass die Dinge bleiben, wie sie sind. Die Religion der Fürsorge ist gut für das Geschäft. Und nichts auf der Welt ist wichtiger als das Geschäft. Es ist wichtiger als Liebe, wichtiger als die Menschen und sehr viel wichtiger als Gott.« Er legte den Kopf in den Nacken, streckte seinen Hals von einer Seite zur anderen, um ihn zu lockern, und entspannte sich. »Aber was du mir eben erzählt hast, ist interessant. So interessant, dass ich es gerne ein bisschen besser verstehen würde.«

Er beobachtete, ob sich Collins ebenfalls entspannte. Eigentlich war er überzeugt, dass seine derzeitige Großzügigkeit gegenüber Collins, positiv von ihm aufgenommen würde. Aber selbst wenn Collins so etwas wie Erleichterung darüber verspürte, dass er ein paar Minuten länger zu leben hatte, ließ er es sich nicht anmerken.

»Erzähl mir davon, wie du isst, Collins.«

»Was willst du darüber wissen?«

»Ich möchte verstehen, was es bedeutet. Falls es überhaupt etwas bedeutet. Ich möchte wissen, wie es geht.«

Er sah, dass Collins kurz die Augen schloss und stillschweigend den Kopf schüttelte.

»Was ist es?«

»Ihnen kann ich es nicht zeigen. Ausgerechnet Ihnen, der sie, die Auserwählten, Tag für Tag aus Gier nach Macht und Reichtum zu Hunderten vernichten. Warum sollte ich Ihnen irgendetwas von meinem Wissen weitergeben?«

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