Read Die Blechtrommel Online

Authors: Günter Grass

Tags: #Roman, #Klassiker

Die Blechtrommel (66 page)

BOOK: Die Blechtrommel
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Marias stehende Rede jener Monate, da ich der Quelle nachforschte, war: »Laß den Jung, Oskar.

Erstens geht dir das jar nischt an, zweitens frag' ich, wenn schon jefragt werden muß, und spiel dir drittens nich auf wie sein Vater. Vor paar Monate konnste noch nich mal nich baff sagen!«

Wenn ich keine Ruhe gab und Kurtchens Quelle allzu hartnäckig hinterher war, schlug Maria mit flacher Hand auf einen Kunsthonigeimer und entrüstete sich bis in die Ellenbogen, indem sie mich und Guste, die zeitweilig meine Quellenforschungen unterstützte, gleichzeitig angriff: »Ihr seid mir die, Richtichen! Wollt dem Jung das Jeschäft vermasseln. Dabei lebt ihr davon, was er flüssich macht.

Wenn ich an die paar Kalorien von Oskars Krankenzulage denke, die der in zwei Tage wegfuttert, wird mir schon schlecht, aber ich lach nur.«

Oskar muß zugeben: damals hatte ich einen gesegneten Appetit, und Kurtchens Quelle, die mehr einbrachte als der Kunsthonig, war es zu verdanken, daß Oskar nach der schmalen Krankenhauskost wieder zu Kräften kam.

So mußte der Vater beschämt schweigen und mit einem ordentlichen Taschengeld von Kurtchens kindlicher Gnade die Wohnung in Bilk möglichst oft verlassen, um seine Schande nicht ansehen zu müssen.

Allerlei wohlbestallte Kritiker des Wirtschaftswunders behaupten heute, und je weniger sie sich der damaligen Situation erinnern können, um so begeisterter: »Das war noch eine dolle Zeit vor der Währungsreform! Da war noch was los! Die Leute hatten nischt im Magen und stellten sich trotzdem nach Theaterkarten an. Und auch die schnell improvisierten Feste mit Kartoffelschnaps waren einfach sagenhaft und viel gelungener als Parties mit Sekt und Dujardin, die man heutzutage feiert.«

So sprechen die Romantiker der verpaßten Gelegenheiten. Ich müßte eigentlich genauso lamentieren, denn in jenen Jahren, da Kurtchens Feuersteinquelle sprudelte, bildete ich mich nahezu kostenlos im Kreis von tausend Nachhol-und Bildungsbeflissenen, belegte Kurse in der Volkshochschule, wurde Stammgast im British Center, »Die Brücke« genannt, diskutierte mit Katholiken und Protestanten die Kollektivschuld, fühlte mich mit all denen schuldig, die da dachten: machen wir es jetzt ab, dann haben wir es hinter uns und brauchen später, wenn es wieder aufwärts geht, kein schlechtes Gewissen mehr zu haben.

Immerhin verdanke ich der Volkshochschule mein wenn auch bescheidenes, so doch großzügig lückenhaftes Bildungsniveau. Ich las damals viel. Jene Lektüre, die vor meinem Wachstum gerade reichen konnte, um die Welt zur Hälfte Rasputin, zur anderen Hälfte Goethe zuzusprechen, meine Kenntnisse aus Köhlers Flottenkalender von nullvier bis sechzehn wollten mir nicht genügen. Ich weiß nicht mehr, was ich alles las. Auf der Toilette las ich. Beim stundenlangen Anstehen nach Theaterkarten, eingeklemmt zwischen lesenden jungen Mädchen mit Mozartzöpfen, las ich. Ich las, während Kurtchen Feuersteine verkaufte, las, während ich Kunsthonig einpackte. Und wenn Stromsperre war, las ich zwischen Talgkerzen; dank Kurtchens Quelle hatten wir welche.

Beschämend zu sagen, daß die Lektüre jener Jahre nicht in mich hinein, sondern durch mich hindurch fiel. Einige Wortfetzen, Klappentexte sind geblieben. Und das Theater? Schauspielernamen: die Hoppe, Peter Esser, das R bei der Flickenschildt, Schauspielschülerinnen, die auf Studiobühnen das R der Flickenschildt noch verbessern wollten, Gründgens, der sich als Tasso, ganz in Schwarz den von Goethe verordneten Lorbeerkranz von der Perücke nimmt, weil ihm das Grünzeug angeblich die Locken versengt, und derselbe Gründgens in ähnlichem Schwarz als Hamlet. Und die Flickenschildt behauptet: Hamlet ist fett. Und Yoricks Schädel, der machte mir Eindruck, weil Gründgens recht eindrückliche Dinge über ihn zu sagen wußte. Dann spielten sie vor erschüttertem Publikum in ungeheizten Theaterräumen »Draußen vor der Tür«, und ich stellte mir für den Beckmann mit der kaputten Brille Gustes Mann, den heimkehrenden Röster vor, der nach Gustes Rede alles ändern, die Feuersteinquelle meines Sohnes Kurt zuschütten würde.

Heute, da ich das hinter mir habe und weiß, daß ein Nachkriegsrausch eben doch nur ein Rausch ist und einen Kater mit sich führt, der unaufhörlich miauend heute schon alles zur Historie erklärt, was uns gestern noch frisch und blutig als Tat oder Untat von der Hand ging, heute lobe ich mir Gretchen Schefflers Unterricht zwischen KdF-Andenken und Selbstgestricktem: nicht zuviel Rasputin, mit Maß Goethe, Keysers Geschichte der Stadt Danzig in S.tichworten, die Bestückung eines längst versunkenen Linienschiffes, Geschwindigkeit in Knoten aller bei der Seeschlacht bei Tsushima eingesetzten japanischen Torpedoboote, ferner Belisar und Narses, Totila und Teja, Felix Dahns Kampf um Rom.

Schon im Frühjahr siebenundvierzig gab ich die Volkshochschule, das British Center und Pastor Niemöller auf und verabschiedete mich vom zweiten Rang aus von Gustaf Gründgens, der immer noch als Hamlet auf dem Programm stand.

Noch keine zwei Jahre war es her, da ich mich an Matzeraths Grab zum Wachstum entschlossen hatte, und schon war mir das Leben der Erwachsenen einerlei. Nach den verlorenen Proportionen des Dreijährigen sehnte ich mich. Unverrückbar wollte ich wieder vierundneunzig Zentimeter messen, kleiner als mein Freund Bebra, als die selige Roswitha sein. Oskar vermißte seine Trommel. Lange Spaziergänge brachten ihn in die Nähe der Städtischen Krankenanstalten. Da er ohnehin jeden Monat einmal zu Professor Irdell mußte, der ihn einen interessanten Fall nannte, besuchte er immer wieder die ihm bekannten Krankenschwestern und fühlte sich, auch wenn die Pflegerinnen keine Zeit für ihn hatten, in der Nähe weißer, eiliger, Genesung oder Tod verheißender Stoffe wohl und fast glücklich.

Die Schwestern mochten mich, trieben kindliche, doch nicht böswillige Scherze mit meinem Buckel, setzten mir etwas Gutes zum Essen vor und weihten mich in ihre endlosen, verwickelten, angenehm müde machenden Krankenhausgeschichten ein. Ich hörte zu, gab Ratschläge, konnte sogar bei kleineren Streitigkeiten vermitteln, da ich die Sympathie der Oberschwester besaß. Oskar war zwischen zwanzig bis dreißig in Krankenschwesterntrachten verborgenen Mädchen der einzige und auf seltsame Art auch begehrte Mann.

Bruno sagte es schon: Oskar hat schöne, sprechende Hände, ein welliges, leichtes Haar und — blau genug — jene immer noch gewinnenden Bronskiaugen. Mag sein, daß mein Buckel und der unter dem Kinn ansetzende, gleichviel gewölbte wie enge Brustkorb gegensätzlich genug die Schönheit meiner Hand, meines Auges, das Gefällige meines Haarwuchses unterstreichen, jedenfalls kam es oft genug vor, daß Krankenschwestern, in deren Stationszimmer ich saß, meine Hände ergriffen, mit all meinen Fingern spielten, auch dem Haar zärtlich waren und im Hinausgehen zueinander sagten: »Wenn man ihm in die Augen sieht, könnt' man das andere an ihm glatt vergessen.«

Ich war also meinem Buckel überlegen und hätte mich ganz gewiß entschlossen, Eroberungen innerhalb der Krankenanstalten zu machen, wenn ich damals noch meiner Trommel mächtig, meiner oftbewährten Trommlerpotenz sicher gewesen wäre. Beschämt, unsicher, etwaigen Regungen meines Körpers nicht trauend, verließ ich nach solch zärtlichen Vorspielen, einer Hauptaktion aufweichend, die Krankenanstalten, machte mir Luft, spazierte im Garten oder um den Drahtzaun herum, der das Gelände der Anstalten engmaschig, regelmäßig, mir pfeifende Gleichmut einredend, umlief. Den Straßenbahnen, die nach Wersten und Benrath fuhren, sah ich zu, langweilte mich angenehm auf den Promenaden neben den Radfahrerwegen und belächelte den Aufwand einer Natur, die Frühling spielte und programmgemäß Knospen wie Knallfrösche springen ließ.

Gegenüber pinselte unser aller Sonntagsmaler von Tag zu Tag mehr tubenfrisch Saftgrün in die Bäume des Werstener Friedhofes. Friedhöfe haben mich immer schon verlocken können. Sie sind gepflegt, eindeutig, logisch, männlich, lebendig. Auf Friedhöfen kann man Mut und Entschlüsse fassen, auf Friedhöfen erst bekommt das Leben Umrisse — ich meine nicht Grabeinfassungen — und wenn man will, einen Sinn.

Da gab es an der nördlichen Friedhofsmauer entlang den Bittweg Sieben Grabsteingeschäfte machten sich dort Konkurrenz. Große Betriebe wie C. Schnoog oder Julius Wobei. Dazwischen die Buden der Krauter, die R. Haydcnreich, J. Bois, Kühn & Müller und P. Korneff hießen. Ein Gemisch aus Baracke und Atelier, große, entweder frischgestrichene oder gerade noch leserliche Schilder an den Dächern mit Schriften unter den Firmennamen wie: Grabsteingeschäft — Grabdenkmäler und Einfassungen — Natur-und Kunststeinbetriebe -Grabmalkunst. Über Korneff s Bude buchstabierte ich: P. Korneff Steinmetz und Grabsteinbildhauer.

Zwischen der Werkstatt und dem das Gelände begrenzenden Drahtzaun reihten sich übersichtlich gestaffelt auf einfachen und doppelten Sockeln die Grabdenkmäler für einstellige Gräber bis vierstellige, sogenannte Familiengräber. Gleich hinter dem Zaun
,
den Rautenmusterschatten des Drahtes bei sonnigem Wetter duldend, die Muschelkalkkissen für geringere Ansprüche, polierte Diabasplatten mit mattgelassenen Palmzweigen, die typischen achtzig Zentimeter hohen, von Hohlkehlen umeilten Kindergrabsteine aus schlesischem, leicht wolkigem Marmor, mit im oberen Drittel vertieften Reliefs, die zumeist geknickte Rosen darstellten. Dann eine Reihe ordinärer Metersteine, roter Mainsandstein, der, von zerbombten Bank-und Kaufhausfassaden stammend, hier Auferstehung feierte; wenn man so etwas von einem Grabstein sagen kann. In der Mitte der Ausstellung das Prunkstück: ein aus drei Sockeln, zwei Seitenstücken und einer großen, reichprofilierten Wand zusammengesetztes Denkmal aus bläulichweißem Tiroler Marmor. Auf der Hauptwand hob sich erhaben das ab, was die Steinmetze einen Korpus nennen. Es war dieses ein Korpus mit Kopf und Knien nach links, mit Dornenkrone und drei Nägeln, bartlos, Hände geöffnet, Brustwunde stilisiert blutend, ich glaube, fünf Tropfen. :

Obgleich es im Bittweg Grabdenkmäler mit dem nach links hin orientierten Korpus mehr als genug gab — vor Anfang der Frühjahrssaison breiteten oft mehr als zehn die Arme aus — hatte es mir der Korneffsche Jesus Christ besonders angetan, weil, nun weil er meinem athletischen Turner über dem Hauptaltar der Herz-Jesu-Kirche, mit den Muskeln spielend, den Brustkorb dehnend, am meisten glich. Stunden verbrachte ich an jenem Zaun.-Einen Stock ließ ich über das engmaschige Drahtnetz schnurren, wünschte mir dabei dieses und jenes, dachte an alles mögliche und an nichts. Korneff blieb lange verborgen. Aus einem der Atelierfenster drängte ein mehrmals das Knie beugendes, schließlich das Flachdach überragendes Ofenrohr. Nur mäßig stieg der gelbe Qualm schlechter Kohle, fiel auf die Dachpappe, sickerte an den Fenstern, an der Regenrinne herunter, verlor sich zwischen unbearbeiteten Steinen und brüchigen Lahnmarmorplatten. Vor dem Schiebetor der Werkstatt wartete unter mehreren Zeltplanen, wie gegen Tieffliegerangriffe getarnt, ein Dreiradauto. Geräusche aus der Werkstatt — Holz schlug auf Eisen, Eisen sprengte Stein — verrieten den arbeitenden Steinmetz.

Im Mai fehlten die Zeltplanen über dem Dreiradwagen, die Schiebetür stand offen. Grau vor grau sah ich im Inneren der Werkstatt aufgebänkte Steine, den Galgen einer Schleifmaschine, Regale mit Gipsmodellen und endlich Korneff. Er ging gebückt mit knickenden Knien. Den Kopf hielt er steif und vornüber. Rosa, schwarz durchfettete Pflaster kreuzten den Nacken. Mit einer Harke kam Korneff und harkte, weil's Frühling war, zwischen den ausgestellten Grabsteinen. Er machte das sorgfältig, hinterließ wechselnde Spuren im Kies und sammelte auch Laub vom Vorjahr, das auf einigen Denkmälern klebte. Dicht vorm Zaun, während die Harke vorsichtig zwischen Muschelkalkkissen und Diabasplatten geführt wurde, überraschte mich seine Stimme: »Na Jong, dich woll'n se woll zu Haus nich mehr, oder?«»Ihre Grabsteine gefallen mir außerordentlich«, schmeichelte ich.

»Dat soll man nich laut sage, sonz kriecht man ehn druppjestellt.«

Jetzt erst bemühte er seinen steifen Nacken, erfaßte mich oder vielmehr meinen Buckel mit schrägem Blick: »Wat han se denn mit dich jemacht? Is dat nich hinderlich beim Schlafen?«

Ich ließ ihn auslachen, erklärte ihm dann, daß ein Buckel nicht unbedingt stören müsse, daß ich ihm gewissermaßen überlegen sei, daß es sogar Frauen und Mädchen gebe, die nach einem Buckel Verlangen zeigten, die sich den besonderen Verhältnissen und Möglichkeiten eines buckligen Mannes sogar anglichen, die, rundheraus gesagt, an solch einem Buckel Spaß fänden. , Korneff dachte mit dem Kinn auf dem Harkenstiel nach: »Dat mag sein Möchlichkeit han, davon hannich jehört.«

Dann erzählte er mir von seiner Zeit in der Eifel, da er in Basaltbrüchen gearbeitet und es mit einer Frau gehabt hatte, deren Holzbein, das linke glaube ich, abgeschnallt werden konnte, was er mit meinem Buckel verglich, auch wenn man meine »Kiste« nicht abschnallen könne. Lang, breit und umständlich erinnerte sich der Steinmetz. Ich wartete geduldig, bis er fertig war und die Frau ihr Bein wieder angeschnallt hatte, bat ihn dann um eine Besichtigung seiner Werkstatt.

Korneff öffnete das Blechtor in der Mitte des Drahtzaunes, wies mit der Harke einladend in Richtung der offenen Schiebetür, und ich ließ den Kies unter mir knirschen, bis der Geruch von Schwefel, Kalk, Feuchtigkeit mich gefangennahm.

Schwere, oben abgeflachte, birnenförmige Holzknüppel mit faserigen, immer denselben Schlag verratenden Vertiefungen ruhten auf grobgespitzten, doch schon mit den vier Schlägen gerichteten Flächen. Spitzeisen für Bossierschlägel, Spitzeisen mit Knüppelköpfen, frisch nachgeschmiedete, vom Härten noch blaue Zahneisen, die langen federnden Beiz-und Schlageisen für Marmor, gedrungen breitspurig Schariereisen auf einem Stück Blaubank, Schleifschlamm auf vierkantigen Holzböcken trocknend, auf Rundhölzern, bereit zum Davonrollen, eine hochkant gestellte, matt und fertig geschliffene Travertinwand: fett, gelb, käsig, porig, für ein zweistelliges Grab.

»Dat issen Stockhammer, dat issen Flecht, dat issen Nuteisen und dat«, Korneff hob eine handbreite, drei Schritt lange Latte, hielt die Kante prüfend vors Auge, »dat issen Richtlatz. Damit verkammesöl ich de Stifte, wenn se nech spuren.«

Meine Frage war nicht nur höflich: »Beschäftigen Sie denn Lehrlinge?«

Korneff führte Beschwerde: »Fönf könnt ich anne Arbeit halten. Sin aber kein zu kriegen. De lern' heut all Schwarzhandel, de Jack!« Gleich mir war der Steinmetz gegen jene dunklen Geschäfte, die manch jungen hoffnungsvollen Mann hinderten, einen ordentlichen Beruf zu lernen. Während Korneff mir verschiedene grobe bis feine Carborundumsteine und ihre Schleifwirkung auf einer Solnhofer Platte vorführte, spielte ich mit einem kleinen Gedanken. Bimssteine, der schokoladenbraune Schellackstein fürs Vorpolieren, die Tripelerde, mit der man, was vorher matt war, blank tripelt, und immer noch, doch schon glänzender, mein kleiner Gedanke. Korneff zeigte mir Schriftvorlagen, erzählte von erhabener und vertiefter Schrift, vom Schriftvergolden, auch daß das alles halb so wild sei mit dem Gold: mit einem guten alten Taler könne man Roß und Reiter vergolden, was mir sofort das immer in Richtung Sandgrube reitende Denkmal des Kaiser Wilhelm in Danzig auf dem Heumarkt verdeutlichte, den zu vergolden nun polnische Denkmalpfleger beschließen mochten, gab aber trotz Roß und Reiter in Blattgold den kleinen, immer wertvoller werdenden Gedanken nicht auf, spielte mit ihm, formulierte schon, als Korneff mir die dreibeinige Punktiermaschine für Bildhauerarbeiten erklärte, mit dem Knöchel gegen die verschiedenen, nach links oder rechts orientierten Gipsmodelle des Gekreuzigten pochte: »Sie würden also einen Lehrling einstellen?« Mein kleiner Gedanke machte sich auf den Weg. »An sich suchen Sie doch einen Lehrling, oder?« Korneff rieb sich die Heftpflaster über seinem Furunkelnacken. »Ich meine, würden Sie mich gegebenenfalls als Lehrling einstellen?« Die Frage war schlecht gestellt, und ich verbesserte mich sogleich: »Unterschätzen Sie bitte meine Kräfte nicht, werter Herr Korneff! Nur meine Beine sind etwas schwächlich. Am Zupacken soll es jedoch nicht fehlen!« Begeistert von meiner eigenen Entschlußkraft und nun aufs Ganze gehend, entblößte ich meinen linken Oberarm, bot Korneff einen zwar kleinen, aber rindfleischzähen Muskel zum Fühlen an, langte mir, da er nicht fühlen wollte, ein Bossiereisen vom Muschelkalk, ließ das sechskantige Metall beweiskräftig auf meinem tennisballgroßen Hügelchen springen, unterbrach diese Kundgebung erst, als Korneff die Schleifmaschine anstellte, eine blaugraue Carborundumscheibe kreischend auf dem Travertinsockel für die zweistellige Wand kreisen ließ und endlich, die Augen bei der Maschine, das Schleifgeräusch überbrüllte: »Uber-schlaf dich das Jong. Dat is hier kein Honigschlecken. Und wenn de dann immer noch meinst, dann kannste kommen, als ne Art Praktikant.«

BOOK: Die Blechtrommel
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